LOB & HUDEL
Böses Denken
Ein Sammelband über Karlheinz Deschner
Karlheinz Deschner hat mehrere Karrieren hinter sich. In den 50ern war er ein hochgelobter Belletrist (Die Nacht steht um mein Haus), in den 60ern ein gefürchteter Literaturkritiker (Kitsch, Konvention und Kunst), seit Ende der 60er ist als Kirchenkritiker berühmt.
Während seine ersten beiden Tätigkeiten das jeweils zweite Werk nicht überlebten - Florenz ohne Sonne als Roman, Talente Dichter Dilettanten als Streitschrift - hat sich Deschner als Kirchenkritiker und Historiker gehalten. Seit den 80ern bringt er wacker Buch für Buch einer auf 10 Bände angelegte Kriminalgeschichte des Christentums heraus. Zwischendurch produziert er dickleibige und gehaltvolle Bände (etwa über die Päpste im 19, und 20., Jahrhundert), hält Vorträge, schreibt Aphorismen. Sein Leben lang war Deschner dabei auf Freunde und Mäzene angewiesen, die ihm seine Tätigkeit im Weingarten des Herrn finanzieren. Vor Zwei Jahren ist Karlheinz Deschner 80 geworden.
"Aufklärung ist Ärgernis..." Karlheinz Deschner: Leben - Werk - Wirkung feiert zwar den Jubilar (und stellt ihn gar auf eine Stufe mit Nietzsche), enthält aber leider keine Originalbeiträge, nur bereits anderswo erschienene Aufsätze, Lobreden und Essays. Herausgegeben von Deschners Lektor Hermann Gieselbusch, werden die Facetten von Werk und Mann abgearbeitet, eher brav denn systematisch.
Seine Wirkung auf die Geschichtsschreibung wird kaum erwähnt (hat Deschners Arbeit die Theologie in irgendeiner Weise beeinflusst?), lieber werden Probleme der historischen Darstellung grundsätzlich erörtert. Das Privatleben wird dabei dezent ausgespart. Sein Vegetarismus hingegen wird begeistert gefeiert; Deschner hat oft die armen Hoppelhäschen bedauert, die er in seiner Fleisch-Esser- und Jägerzeit "ermordete"; ähnlich emotional heftiges Bedauern über seine Tätigkeit als Hitler-Soldat ist nicht bekannt.
Deschners mit Abstand peinlichstes Buch (Der Moloch) wird nur kurz erwähnt. Dabei hätte sich gerade an dieser Arbeit das grundsätzliche Deschner-Problem gut darstellen lassen: die Verallgemeinerung. Was Deschner damals über "Amerika" abließ, war mehr von Wut als Sachverstand geprägt.
Als einziger Kritiker kommt Joachim Kahl zu Wort und untersucht Deschners Menschenbild anhand der Aphorismen: "Pleonasmus: Unmensch". Kahl findet das Menschenbild Deschners eher entsetzlich. Für diesen Befund wird er allerdings seitenweise von Gabriele Röwer abgewatscht mit dem Hauptargument: Deschners Gedanken können nicht falsch sein, weil andere große Geister sie auch schon gedacht hatten; was für eine Verteidigung.
Die eher hilflose Zusammenstellung der bisweilen mächtig wichtigtuerischen Beiträge versammelt im wesentlichen einen Personenkreis, den Deschner immer gehasst hat: Apologeten. Es wäre Zeit für eine kritische Biografie, denn Deschner hat beides verdient: Kritik und Bewunderung.
Thomas Friedrich
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 Hermann Gieselbusch, Michael Schmidt- Salomon (Hrsg) 'Aufklärung ist Ärgernis' Karlheinz Deschner - Leben , Werk, Wirkung. Alibri, Aschaffenburg 2006, mit sw. Abb., 350 S., 18,- ISBN: 3865690033
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