GAGAISMUS

Denken Sie sich gesund!

Die Gesundbeter Peale, Carnegie, Murpy et. al.

Es ist schon drollig: Die Verlage, die mit viel Getöse die nichtssagenden "Enthüllungen" von Ex-Scientologen promoten (siehe Ultimo 20/97), fahren häufig nebenbei ein Esoterik-Programm, das an dreister Beutelschneiderei und verdummendem Gutgläubigkeitszwang den Scientologen-Schriften in nichts nachsteht.
Dabei sind Titel wie "Sorge dich nicht, lebe!" und Autoren wie Norman Vincent Peale nicht mal aktuelle Erscheinungen: meist in den 50er Jahren wurden die Texte verfaßt, die sich seit Jahren auf der Bestseller-Liste halten und Millionen von Lesern in Deutschland finden.
Der Therapeut Günther Scheich hat unter dem Titel Positives Denken macht krank die gängigsten Richtungen untersucht und mit Fallbeispielen aus seiner Praxis konfrontiert, aus denen hervorgeht, daß die Gesundbeterei durchaus lebensbedrohende Folgen haben kann. Wenn sie zum Beispiel jedes Mißgeschick und jeden Angriff im Leben mit Harmonie und "harmonischen Schwingungen" zu kontern empfiehlt, baut sich eine überaus ungesunde Aggressionshemmung auf. Andererseits schrecken die Gesundbeter vor keiner noch so absurden Behauptung zurück: Vom Krebs über Diabetes können sie mit dem "Unterbewußtsein" alles heilen.
Auch hier erstaunt die Parallele: So wie Scientology, glauben die Esoteriker an eine unterforderte Geisteskraft in uns, die, einmal mobilisiert, jedes Problem lösen kann.
Nun wird Quatsch ja nicht dadurch seriöser, indem zwei an ihn glauben. Es erstaunt aber doch sehr, wie einerseits eine Jagd veranstaltet wird, die durchaus Züge von Hexenverfolgung und McCarthyismus trägt (im Falle von Scientology), andererseits die nicht minder bekloppten und genauso gefährlichen Esoteriker recht ruhig und bisweilen sogar wohlwollen geduldet werkeln können.
Daß es nicht nur Spinnerei ist, wie ernst die Sache liegt - das steht bei Scheich. Man muß seiner berufsbedingten Überzeugung, solche Probleme gehörten in die Therapie, nicht teilen, um die Idee, ein "positiver Gedanke" verhülfe mir zu einer Krokoleder-Handtasche (das Beispiel ist echt!), für ziemlich gaga zu halten.
Man kann allerdings auch langsam die Hoffnung verlieren: Daß eine unwissenschaftliche Bedeutungshuberei wie die "Entschlüsselung" des "Bibel-Code" auf Anhieb zum Bestseller wurde, dokumentiert den zur Zeit fortschreitenden Gagaismus.
Erich Sauer
Günther Scheich: Positives Denken macht krank. Vom Schwindel mit gefährlichen Erfolgsversprechen Eichborn 1997, 211 S.,