SCHNÜFFELN Knips mich nicht Ein Handbuch gegen die digitale Betatscherei Auf dem Cover prangt ein freundlicher gelber Pacman und ein unhandlich langer Titel: Die Datenfresser. Wie Internetfirmen und Staat sich unsere persönlichen Daten einverleiben und wie wir die Kontrolle darüber zurückerlangen. Interessanterweise steht dann gleich hinter dem Inhaltsverzeichnis der Hinweis, auf der Website zum Buch finde man Links und Tipps zum technischen Selbstschutz, zur Anonymisierung und Verschlüsselung. Äh... ja. Wer sich via datenfresser.info für den Kampf um die Privatsphäre munitionieren lässt, muss wohl damit rechnen, schon in hundert Überwachungsdateien zu landen, bevor er noch "Tork" sagen oder seine IP-Adresse verschleiern kann. So wie jeder, dem via Facebook etwas "gefällt", sich hoffentlich nicht wundert, dass sein Personalchef seine außerbetrieblichen Vorlieben mitliest. Vor ein paar Wochen hat Facebook den deutschen "Big Brother Award" gekriegt, weil das nette soziale Netz möglichst unausgesprochen dreist die Informationspools seiner Mitglieder leer fischt. Das finden auch Constanze Kurz und Frank Rieger schlimm, erwähnen aber weder den "Award" noch die anstehende Volkszählung, deren Vorgänger vor vielen Jahren die Diskussion um das Recht auf informationelle Selbstbestimmung auslösteHeute ist die Datenfresserei meist ökonomisch motiviert. Und der Widerstand an der Bequemlichkeit gescheitert. In mehreren Kurzgeschichten erläutern Kurz/Rieger, wie ein scheinbar nützlicher Web-Dienst nur Geld verdienen kann, wenn er statt echter Waren in Wirklichkeit Daten vermarktet. Wie Risiko-Kapitalisten in Startups investieren, um an neue Kundendateien zu gelangen, die durch Verknüpfung mit Daten aus anderen Quellen noch lukrativer werden. Oder wie clevere Data-Miner heute schon den Aufriss in der Disko vorher abchecken, um das Zielobjekt gleich mit der passenden Interessen-Vorspiegelung anzubaggern. Das ist alles ungemütlich modern, aber ist es auch ein Beinbruch? Und was kann man dagegen tun, außer sein Smartphone wegzuwerfen, das ständig ausplaudert, wo man gerade ist? Ein paar Tipps kommen auch im Buch von Kurz/Rieger vor, dem leider das Register fehlt, um in dem meist erzählend aufgehäuften Datenwust etwas bestimmtes wiederzufinden. Etwa den cleveren Gedanken, seine Pistole beim nächsten Nacktscanner-Durchgang am Flughafen mit einem frischen Schnitzel abzudecken. Oder nur noch auf Partys zu gehen, bei denen ab Mitternacht das Fotografieren verboten ist. Wing
Constanze Kurz/Frank Rieger: Die Datenfresser. Wie Internetfirmen und Staat sich unsere persönlichen Daten einverleiben und wie wir die Kontrolle darüber zurückerlangen. S. Fischer, Frankfurt/M. 2011, 272 S., 16,95
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