NAHE ZUKUNFT

Vor dem Crash

Douglas Coupland schickt vier Menschen in die Endzeit

Er ist mit Generationen-Romanen groß geworden. Er hat das X und das A als Signets globaler Lebensstile erfunden, das zweite am Anfang der Twitter-Explosion mit eher mäßigem Erfolg. Trotzdem wurde er eingeladen, eine Vorlesungsreihe zur Zukunft der Gesellschaft zu halten. Er schrieb aber lieber einen neuen Roman, Spieler Eins, mit dem raunenden Untertitel "Was aus uns werden wird." Die deutsche Ausgabe nimmt lieber die Beschreibung "Ein Roman in fünf Stunden" auf den Titel und lockt damit geschickt Leser an, die mehr an den Formexperimenten Couplands interessiert sind als an ihrer Zukunft. In seinem letzten Buch J Pod brachte der Autor frech die ersten 1000 Nachkommastellen von Pi unter und sich selbst als handelnde Figur, die ziemlich ruppig mit ihren Figuren umging. Was wird er jetzt wieder machen?

Er versammelt vier gescheiterte Menschlein in einer Flughafen-Bar kurz vor dem Weltuntergang und erzählt, kapitelweise die Perspektive wechselnd, wie jeder dahin kam und nun darauf reagiert, dass draußen offenbar Armageddon tobt. Der Ölpreis steigt plötzlich ins Unermessliche, die Welt geht aus den Fugen und man hört die Explosionen näher kommen.

Das setzt die Lebenspläne der Lounge-Insassen gewaltig unter Druck. Karen etwa wollte nach ihrer Scheidung nun ausbrechen und eine Internet-Bekanntschaft endlich mal persönlich treffen. Rick will nicht mehr Verlierer und Alkoholiker sein, sondern sein Erspartes in einen Motivationstrainer investieren. Luke war mal Pfarrer und weiß nun nicht, wohin mit sich und dem geklauten Renovierungsfonds seiner Gemeinde. Und Rachel, multiple Autistin, weiß zwar alles über jeden Quatsch, einschließlich der Zahl Pi (genau: Coupland recycelt Einfälle aus früheren Büchern), kann sich den Sinn des Lebens aber nur als "geschwängert werden" vorstellen. Weil das angeblich diese Gefühle auslöst, die ihr so rätselhaft sind.

Dazu kommt noch der "Spieler Eins" des Titels, eigentlich der Avatar, mit dem Rachel im Netz unterwegs ist, aber zunehmend ein weiser Kommentator seiner Spielfiguren. Er spricht mit Couplands Stimme, die schon die Generation X vor Jahrzehnten so treffend charakterisierte als "Leute, die mit 30 sterben, um mit 70 begraben zu werden."

Jetzt stehen so um die 40-jährige vor dem Ende. Und kommen zu Erkenntnissen, die manchmal wie aus besseren Bibelstunden oder noch besseren Therapien übernommen wirken.

"Die Crux scheint zu sein, dass sich unsere Leben nicht mehr wie Geschichten lesen lassen. Und wenn wir kein Leben mehr führen können, das wie eine Geschichte ist, was ist dann aus unserem Leben geworden?"

Wem das zu kitschig ist, der kann sich mit einer Art Endzeit-Wörterbuch im Anhang vergnügen, in dem Coupland ebenso düster wie humorvoll moderne Phänomene erschlägt. Was etwa sind Zeitsnacks? "Oftmals enervierende Momente von Pseudo-Freizeit, die eintreten, wenn vom Computer keine Rückmeldung kommt, weil er eine Datei sichert, nach Software-Updates sucht oder, höchstwahrscheinlich, seine ganz eigenen Gründe dafür hat."

Wing

Douglas Coupland: Spieler Eins. Ein Roman in fünf Stunden. Aus dem Englischen von Clara Drechsler. Tropen / Klett-Cotta, Stuttgart 2013, 246 S., 19,95