WARENKUNDE
Cotton Club
Wolfgang Mönninghoffs Kulturgeschichte der Baumwolle
Was hat Karl Marx mit Jeans zu tun? Wie gehören Sprengstoff und T-Shirts zusammen. Oder Gospels und Textil-Chemie? Banknoten und Verbandsmull? Ohne Baumwolle wäre nichts davon möglich gewesen, weder die Industrialisierung noch der Weltmarkt, auch die Kritik daran nicht, und der Blues schon mal gar nicht.
Wolfgang Mönninghoff hat in seinem Buch King Cotton leicht lesbar eine Unmenge von richtigen Fakten und illustrativen Dönekes zur Baumwolle zusammengestellt. Er geht auch noch den abgelegensten Themen-Verästelungen nach, bringt dafür aber auch keinen Gedanken zu einem schlüssigen Ende. Etwa ganz hinten, wenn er den "fairen Handel" und die Versuche, sowohl politisch als auch ökologisch unbehandelte Baumwoll-Gewebe herzustellen, als "neue Spielart des Kapitalismus" erkennt. Und dann knapp mit Verweis auf einen Warentest in der Brigitte erledigt.
Oder in der Mitte, wenn er alle Übel der Industrialisierung schön an englischen und deutschen Textil-Fabriken erläutert, aber dann doch lieber Unternehmer lobt, die beim Ausbeuten den Betriebskindergarten oder die Schulpflicht erfanden. Er ist durchweg eher an Effekten als an einer erkennbaren Haltung interessiert: "Die gräßliche Lage der schlesischen Weber bescherte der deutschen Literatur zwei Meisterwerke". Was für ein Unglück.
Mal zitiert Mönninghoff Marx, der damals schon die Schrecken der Globalisierung analysiert habe, mal freut er sich wie ein Industrie-Werbefilmer an neuen Apparaten zur Textilveredlung und Arbeitskräfte-Einsparung. Er deutet an, dass europäische Altkleidersammlungen ein Problem für traditionelle afrikanische Märkte sind, aber er findet Gucci-Shirts für Massai jedenfalls kulturell wertvoller als chinesische Billig-Importe.
Mönninghoffs Kulturgeschichte ist keine, aber das ist ihr Vorzug. Er hat nicht ein Deutungsmuster, er kommt nicht zu einem Urteil, er wirft mit bunten Lappen um sich, und wo sie hinfallen, ist es interessant.
WING
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