UNTERWEGS

Dahin, wo's wehtut

Warum manche Expeditionen gelingen und andere vollkommen in die Hose gehen

Soweit man nicht vorhat, Australien zu Fuß zu durchqueren, über den Pazifik zu schippern, mit nichts als Balsaholz unterm Hintern, oder den Südpol mit Schlittenhunden und dreifach faltbarem Schlafsack zu besuchen, ist dieses Buch vollkommen überflüssig.
Aber es ist hinreißend. A Teacup in a Storm von Mick Conefrey ist praktisch organisiert: Wie finde ich Sponsoren für eine Expedition, was muss ich einkaufen, wie komme ich da hin und wieder nach Hause und wie gehe ich mit dem Nachruhm um? Diese Fragen teilen das Buch, die Kapitelüberschriften weisen den Weg, und dann erzählt Conefrey von den großen Erkundungen des 19. und 20. Jahrhunderts, von Livingston bis Heyerdahl, Krakauer bis Burke.
Er gibt viele nützliche Tipps und Tricks. Etwa: Wo sie auch sind, behandeln Sie die Eingeborenen freundlich, Sie sind auf sie angewiesen! Und es gibt ganz viel Anekdoten über Expeditionen und warum manche erfolgreich waren und andere nicht. Thor Heyerdahl zum Beispiel war kein Seemann, seine Freunde und Mitreisenden hatten keine Ahnung vom Meer, alle sassen sie auf einem wackligen Floß und ließen sich einfach treiben. Schon bei der ersten Wasserung war alles schiefgegangen - und doch ist die Kon Tiki-Expedition erfolgreich gewesen (auch wenn man heute weiß, dass ihre "Beweisführung" falsch war: Entgegen Heyerdahls Annahme wurde Polynesien wohl von Asien, nicht von Südamerika aus besiedelt.
Die Erst-Durchquerung Australiens hingegen war solide staatlich finanziert, gut geplant und organisiert - und ein Fiasko. Denn der Expeditionsleiter Burke war ein Windhund und Egomane, der seine Truppen sinnlos aufteilte und einen von Conefreys Merksätzen nicht ernst nahm: Wichtig ist nicht nur, hinzukommen, man muss auch wieder zurückfinden. Selbst Scott ist an der mangelnden Zurkenntnisnahme dieser Weisheit gescheitert.
So lernen wir viel Überflüssiges (wie Beduinen vermittels eines Kamels Brackwasser filtern... das erzähl' ich jetzt nicht), warum man Käfer nicht mit einem Messer aus dem Ohr holen sollte und wie es zur großen "K2"-Katastrophe kam.
Der dumme deutsche Titel läßt vermuten, es handele sich um eine Art lexikalischen Ratgeber. Dabei ist A Teacup in a Storm (eine nette Verdrehung des Sprichwortes "A storm in a teacup" - das entspricht unserem "Sturm im Wasserglas") ein sauber erzähltes Sachbuch, mit viel Sachkenntnis und leisem Humor. Seitenlang erzählt Conefrey von der Nil-Expedition mit all ihren Wirrungen, und dann steht da mittendrin der Satz: "Das Hauptproblem für Burton und Speke war, die Expedition überhaupt zu überleben."
Die Frage nach dem "warum" streift Conefrey nur am Ende. Warum geht man dahin, wo's wirklich wehtut, wo es kalt ist, nass, viel zu heiß, einsam, gefährlich?
Vielleicht, weil man anschließend lustige und spannende Bücher darüber schreiben kann. Ein Randphänomen der untergegangenen Expeditionslust: Nie konnten Verleger so schnell publizieren wie im Bereich der Reiseliteratur. Einige Bücher über langwierige Entdeckungs-Feldzüge erschienen wenige Wochen nach der Rückkehr des Autors.
Thomas Friedrich
Mick Conefrey: Wie man bei Windstärke 10 stilvoll eine Tasse Tee trinkt. Das geheime Wissen der Abenteurer und Entdecker (A Teacup in a Storm. An Explorer's Guide to Life). Aus dem Englischen von Gaby Wurster. Mit 83 Illustrationen. Malik/Piper, München 2007, 282 S., 16,90