GANGSTER
Murder Inc. Ein Stück Geschichte, geschrieben mit der Tommy Gun Martin Scorsese mag dieses Buch. Kein Wunder, Murder Inc. handelt von Personen, denen Scorsese in seinen Filmen immer besondere Aufmerksamkeit geschenkt hat. In Murder Inc. geht es um Gangster. Gemeinhin schreibt man ja den Italienern das größte Talent im bilden von kriminellen Vereinigungen zu. Was viele nicht wissen: gerade in den zwanziger und dreißiger Jahren waren viele der großen Gangster jüdischer Herkunft. Und die meisten von ihnen kamen nicht, wie man vielleicht vermuten könnte, aus Chicago, sondern aus New York. Und zwar aus Brooklyn, der damals größten jüdischen Gemeinde außerhalb Europas. Rich Cohen erzählt die Geschichte dieser Männer. Cohen selbst ist mit Erzählungen über diese Ikonen der Gewalttätigkeit groß geworden. Während unsereins im zarten Kindesalter Märchen vorgelesen wurden, lauschte Cohen Jr. den Geschichten die sein Vater zu erzählen hatte. Über Meyer Lansky, Bugsy Siegel, Dutch Schulz ... "Für Leute wie mich, die in ihrer Kindheit nur Geschichten über die guten Juden hörten, über die Spendensammler und Aktivisten, erlaubten die Gangster einen Blick auf unruhigere Zeiten, wie auf die Eiszeit etwa, als auf der Erde noch eine große Artenvielfalt gedieh", sagt Cohen und wühlt tief in den alten Legenden und Mythen einer wahrhaft wilden Epoche Amerikas. Schon zu Zeiten des Bürgerkrieges soll es in New York die ersten Gangs gegeben haben. Am brutalsten soll es um die Jahrhundertwende in der Bowery zugegangen sein. "Dem härtesten und geschichtsreichen Slum in New York", so weiß Cohen zu erzählen. Von dort schlägt er dann den Bogen nach Brooklyn, dorthin, wo sein Vater aufgewachsen ist. Dort hat er die Geschichten erlebt und gehört, die er sich heute noch mit seinen alten Freunden erzählt, unter denen übrigens Larry King ist, der in Amerika ein ziemlich berühmter TV Talker ist. Die Geschichte von Abe und Bugsy z.B., die einen wilden Bandenkrieg mit den Shapiros anzettelten, in dessen Verlauf ein Haufen unschöner Dinge passierte. Man hört sie förmlich knattern, die Tommy Guns. Quietschende Reifen sind in diesem Buch ebenso präsent wie nasse Straßen und große Hüte. Nachtclubs, Casinos, dunkle Straßenecken und lange Mäntel. Alles drin hier, wunderbar romanhaft erzählt. Coppola und Scorsese in Buchform. Eins darf bei aller Begeisterung über Cohens filigrane Erzählweise nicht vergessen werden: Auch wenn von den Männern von denen Murder Inc. handelt eine seltsame Faszination ausgeht, ist es trotzdem ein Buch über Schwerverbrecher. Über Mörder, Totschläger und Erpresser. Die Art von Menschen eben, die nur die Sprache der Gewalt beherrschen. Aber auch dieser Aspekt wird von Cohen glücklicherweise nicht vernachlässigt. In Murder Inc. wird nicht mystifiziert. Es wird nur von einem dunklen Kapitel Amerikas erzählt, und zwar so authentisch wie möglich. Mirko Puzic
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Rich Cohen: Murder Inc. oder nicht ganz koschere Geschäfte in Brooklin Aus dem Amerikanischen von Bernhard Robben. S. Fischer Verlag, Frankfurt/Main 1999, 366 S., 39,80 M |