STORIES

Coen-Land

Geschichten aus einem durchgeknallten Amerika

Nicht jeder kann von sich behaupten, ein eigenes Universum zu besitzen. Die Coen-Brothers, durch Filme wie The Big Lebowski und Barton Fink bekannt geworden, haben eins. In ihren Filmen sieht man den ganz normalen amerikanischen Wahnsinn so authentisch wie sonst selten, es wird explizit und ungehemmt geflucht, und im Vordergrund steht immer der extrem abgedrehte aber auch hintergründige Humor. Surrealistische Einstreusel machen den Wiedererkennungswert perfekt und lassen die New York Times vom "Coen-Brothers-Land" schreiben.
Und jetzt kommt einer der Brüder, Ethan Coen, und schreibt ein Buch. Beziehungsweise hat er vor nunmehr sieben Jahren eins geschrieben, welches in deutscher Sprache zunächst bei Goldmann erschien und jetzt bei Kein & Aber re-releast wird. Vierzehn Kurzgeschichten sammeln sich auf 253 Seiten und fallen ziemlich genau so aus, wie man es sich als Coenland-Tourist vorstellt. Die Stories, die Namen tragen wie "Cosa Minapolidan" oder "Bestimmung", handeln größtenteils von irgendwelchen Privatdetektiven, Kleinganoven und anderen Losern. Dabei gibt sich Herr Coen ganz schön vielseitig; manche Geschichte verfasst er als minutiöses Hörspiel ("Wir hören, wie ein Papierhandtuch aus dem Spender gezogen und ratschend abgerissen wird"), was auch immer ein bisschen an einen Drehbuchauszug erinnert. Mit einem anderen Text zeigt er dem Leser aus der Ich-Perspektive, wie aufgeschmissen man als plötzlich taub gewordener Privatdetektiv ist. In "Das alte Land" und "Ich habe Phil Shapiro getötet" nimmt Coen auf groteske Weise Bezug auf seine jüdische Abstammung.
So unterschiedlich die einzelnen Geschichten also sind, eines haben sie gemein: sie stammen alle aus dem Coen-Universum, der Geburtsstätte für hirnrissige Dialoge, geniale Wendungen und beängstigend normale Charaktere. Das schöne daran: Nichts kann oder sollte man wirklich ernst nehmen, nicht einmal das obligatorische "Über den Autor" - demnach ist Coen anerkannter Nudist und mit dem Oberzuchtmeister des Männerchors Glamorgan verwandt.. ah ja!
Ein Wermutstropfen, zumindest für die deutsche Ausgabe, ist die falsche Sprache: An der Übersetzung gibts zwar nichts zu meckern, trotzdem wächst während der Lektüre der Wunsch, diese liebenswert makabren Kurzgeschichten in englischer (naja, in diesem Fall muss man schon sagen: amerikanischer) Originalfassung zu lesen. An die typisch amerikanischen Ausdrücke und Redewendungen hat man sich als Coen-Kenner zwar schon gewöhnt, sie klingen im Deutschen aber immer noch etwas lächerlich. Der Gesamteindruck bleibt aber positiv - eine komischere Realityshow gibt es nicht.
Michaela Sommer
Ethan Coen: Falltür ins Paradies. Stories. Aus dem amerikanischen von Detlev Ulrich. Kein & Aber, Zürich 2005, 254 S., 17,90, ISBN: 303695130X