Gegendarstellung Eine doppelte Geschichte Was passiert, wenn man sich zu sehr an der Realität orientiert Adam Grix hat einen Roman geschrieben. Einen Roman über einen Mann, der seit seiner Jugend einige Fehlentscheidungen getroffen hat. Einen stadtbekannten Drogendealer und Rowdy hat er auf den Kopf gehauen, was den Rowdy fast umgebracht hätte. Trotzdem schafft er es, ein Eishockeystipendium zu ergattern. Sein Studium bricht er irgendwann ab, um als Türsteher zu arbeiten. Und dann passiert etwas Schreckliches in der Bar, in der er als Türsteher arbeitet. Seitdem lebt er auf der Flucht. Fast zwanzig Jahre. Für den Autor Adam Grix ist klar, dass das alles damit zusammenhängt wie sein Hauptcharakter aufgewachsen ist, als adoptierter Junge in einer durch Katholizismus (Mutter) und raubeinigem Charme (Vater) gezeichneten Kindheit. Als Gordon Rank diesen Roman liest, ist er tief getroffen. Grix hat Ranks Geschichte aufgeschrieben und einen Roman daraus gemacht. Die beiden haben Anfang der 90er Jahre zusammen studiert, eben zu jener Zeit, als Rank schon seinen Jugendarrest abgebüßt, seine Mutter verloren hatte und im Begriff war, sein Studium aufzugeben. Die beiden waren beste Freunde und verbrachten ihre Zeit hauptsächlich im sogenannten "Tempel", einer jener typischen Jungens-WGs, in denen weniger gepaukt als vielmehr Alkohol vernichtet wird. Eines Nachts erzählte Rank seine Geschichte, in der Annahme, dass sie bei Grix gut aufgehoben ist. Nun ist sie ein schlechter Roman. Ohne dass man auch nur eine Zeile aus dem eigentlichen Roman von Adam Grix zu lesen bekommt, wird einem durch die Mails, die Rank an ihn schreibt erklärt, was in seinem Leben passiert ist. Man kann sich ausmalen, wie die Version von Grix aussieht. Leider geht die Idee, dass Rank sich via 400-seitiger Mail an seiner Lebensgeschichte abarbeitet, nicht auf, auch wenn Lynn Coady eine spannende Geschichte geschrieben hat, deren Enthüllungen man nicht vorherahnt. Besonders die Passagen, in denen Rank mit seinem herrisch-cholerischen Vater interagiert sind bemerkenswert, weil sie dem Klischee des "Sohn-gegen-Vater" einige neue und sehr schöne Aspekte abgewinnt. Sacha Brohm
Lynn Coady: Abgeschrieben Aus dem Englischen von Clara Drechsler und Harald Hellmann. Kein & Aber, Zürich/Berlin 2012, , 399 S., 22,90
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