USA

Fibel für Schreibtischtäter

Die Bush-Kritik des ehemaligen Antiterroristen Richard A. Clarke

Wem Bush-Kritiker bisher in der Regel zu fett, zu lustig oder zu prollig waren, dem wird von Hoffmann und Campe jetzt die Etepetete-Version geliefert, weißhaarig, schlank, staatstragend, garantiert "härter als Michael Moore" (FASZ) und deshalb auch sofort auf der SPIEGEL-Bestsellerliste gelandet: Richard A. Clarkes Against all Enemies, die angeblich große Abrechnung mit der Bush-Regierung, der Clarke als Anti-Terrorexperte bis zum März 2003 angehörte, eine Funktion, die er schon unter Bill Clinton innehatte.
Es kommt, auf gut 30 Seiten, tatsächlich auch Kritik am Irak-Krieg und an der fehlerhaften Terroristenbekämpfung der Bushies vor (die schönste Szene: Bush steht kurz nach dem NineEleven im Kommandobunker und brüllt, das Völkerrecht sei ihm scheißegal, er wolle jemanden in den Hintern treten - das sind einerseits Anekdoten für die Ewigkeit, andererseits keine echte Überraschungen wenn man einen sprachgestörten, mäßig intelligenten Ex-Trunkenbold, der zu allem Übel auch noch zu Gott gefunden hat, zum Oberbefehlshaber macht). Aber schon der Buchtitel ist ein Mißverständis: "Against all Enemies" bezieht Clarke nicht auf die Außenpolitik der US-Regierung, sondern auf den Amtseid des Präsidenten, der schwört, sein Land "against all enemies" zu verteidigen. Dies, so Clarke, tut diese Regierung nicht.
Das kann sie wohl deshalb nicht, weil ihr zwar Gott, keinesfalls aber mehr Richard A. Clarke zur Seite steht. Der Mann kann alles, weiß alles, macht alles und ist einfach nicht zu ersetzen. Am 11. September hat er ganz allein das große Chaos verhindert (man lese das erste Kapitel, ich übertreibe nicht), seine Idee war es seinerzeit, Stinger-Raketen an die afghanischen Mudschahedin zu liefern, weshalb sie die UdSSR besiegen konnten. Seine Idee war es, Ausbildungslager von al-Qaida in Afghanistan zu bombardieren ... man muß sich Richard A. Clarke wie Jack Bauer aus "24" vorstellen, nur mehr am Schreibtisch.
Neben der peinlichen Präpotenz, die sich da ausbreitet, beeindruckt vor allem Clarkes schlichtes Weltbild, das gar nicht weit von dem seines Präsidenten entfernt ist. Das Völkerrecht ist Clarke ebenso egal wie Bush (in einem Nebensatz gibt er aus Versehen zu, wie die CIA die UN-Inspektorenteams im Irak unterwandert hat), er würde sich nur ungern dabei erwischen lassen, es plump zu verletzen. In einer der abstoßendsten Passagen schreibt Clarke nebenbei, die Somalis sollten den USA dankbar sein, schließlich hätten die nach der "Black Hawk Down"-Katastrophe die Hauptstadt Mogadishu nicht dem Erdboden gleichgemacht - "wir hatten 1000 Somalis getötet, sollten noch mehr Unschuldige sterben?".
Insofern ist Against all Enemies ein nützliches Buch. Es hilft einem, den Gedanken loszuwerden, Bush, Rumsfeld, Rice und Konsorten seien ein amerikanischer Sonderfall. Das sind sie nicht, sie stellen sich nur blöder an. Clarke hat seine Fähigkeiten ohne Reibungsverluste insgesamt 4 Präsidenten zur Verfügung gestellt, er findet sogar noch lobende Worte zu Reagans albernem Grenada-Überfall. Er hat nichts gegen Imperialismus, nur frech sollte er nicht sein - und dies nicht aus moralisch-ethischen Erwägungen heraus, sondern weil er einfach nicht so effektiv ist wie die geschmeidige Variante.
Das Buch selbst liest sich übrigens sterbenslangweilig. Es ist voller Gliederungen "(Erstens ... zweitens.."), Aufzählungen von Regierungsbeamten ... wenn es im Leben eines Schreibtischtäters wie Clarke mal richtig aufregend zugeht, liest sich das so: "Cressey sagte mir, dass Frenzel mich suche. Ich nahm den Hörer für die Standleitung zum Presidential Emergency Operations Center in die Hand und hörte erneut das Freizeichen. Wieder drückte ich den PEOC-Knopf, und der Mensch, der sich daraufhin meldete, brummelte irgendwas und gab den Hörer dann an Major Frenzel weiter. 'Welches Arschloch nimmt denn deine Anrufe entgegen, Mike?', fragte ich."
Man macht sich vor Aufregung fast naß.
Erich Sauer
Richard A. Clarke: Against all Enemies. Der Insiderbericht über Amerikas Krieg gegen den Terror. Deutsch von Norbert Juraschitz, Werner Roller und Heike Schlatterer. Hoffmann & Campe, Hamburg 2004, 384 S., 19,90 ISBN:3455094783