SOLDATEN
Volle Eisenjacke Tom Clancy steht vor Ledernacken stramm Natürlich ist dies wieder ein schauderhaft militaristisches Pamphlet. Aber man sollte seine Feinde kennen. Und die globalstrategische Haltung, Eingreiftruppen wie die US Marines völlig moralfrei als Werkzeuge einzusetzen. Natürlich ist dies keine Studie über die Magie des Marine Corps, das als zweischneidiger Stachel in der amerikanischen Seele steckt. 1944 brauchte es 70.000 von ihnen, um 20.000 Japaner auf Iwo Jima umzubringen. 30.000 Amerikaner fielen dabei, aber die Fahne wehte, der Mythos begann. Daß das Iwo Jima-Foto vermutlich später für die Presse nachgestellt wurde, kommt bei Clancy natürlich nicht vor. Auch nicht, daß Lee Harvey Oswald ein Marine war, wie der Ausbilder in Full Metal Jacket stolz herumbrüllt. Natürlich ist US Marines nicht platt kriegstreiberisch. Clancy sind die Feinde egal; der Auftrag zählt - und in der Bibliographie gibt es als Schmankerl Computerspiele, aber keine Spielfilme. Motive und andere menschliche Kategorien spielen keine Rolle, aber die Mechanik der Durchsetzung angeordneter Interessen wird vom Kampfstiefel bis zum Senkrechtstarter exakt erklärt. Und die Unteroffiziers-Laufbahn, das Rückgrat der Truppe, die die wenigsten Lametta-Träger der Welt beschäftigt. Und neuerdings sogar dem letzten Grenadier einen direkten E-Mail-Zugang zum Kommandeur anbietet. Was natürlich keine Basisdemokratie ist, sondern betriebliches Verbesserungs-Vorschlagswesen. Jede Schraube im Arsenal kennt Clancy, jedes Waffensystem analysiert er so genau, daß ganze Geheimdienste dabei arbeitslos werden ... und dann kommen wieder die "Szenarien", für die Clancy bei Clinton Hausverbot kriegen sollte: Die Marines drängen ca. 2006 einen schwachen Präsidenten, das neuen Atomwaffen-Programm des Iran zu überfallen. Oder: das Corps macht eine intrigante Annexion des Öl-Sultanats Brunei durch Malaysia rückgängig. In vorauseilenden Schlägen, weil ein UNO-Mandat nicht zu erwarten ist. Das sind die Spielfelder, auf denen T.C. vorführt, wie der Hammer fällt - und sie sind so gewählt, daß sich moralische Fragen nicht stellen, daß zivile Opfer und Flüchtlinge fehlen, daß auf beiden Seiten relativ ehrenvolle Krieger bloß ihr Handwerk tun ... nur "unsere" eben besser sind. Stammtisch-Feldherren werden davon lernen, daß es "Präzisionsbombardements" nicht gibt und ohne Bodentruppen kein "begrenzter Konflikt" zu bewältigen ist - Stammtisch-Pazifisten sollten daran begreifen, daß Argumente nicht zur Marschverpflegung effektiver Knallkörper gehören. Clancys Marines hätten den Kosovo-Krieg nie angefangen - und wir können nur hoffen, daß sie ihn nicht beenden sollen. WING
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Tom Clancy: US Marines. Die legendäre Elitetruppe. Ihre Ausstattung. Ihre Aufgaben. Ihre Ausrüstung München: Heyne 1998, 548 S., 48.00 DM |