POP & PHILOSOPHIE

Zwei im Sinn

Eine kritische Theorie der weiblichen Oberweite

Marvin Chlada ist einer jener Pop-Theoretiker, die nicht nur alles über das Kunstwerk im Zeitalter seiner Reproduzierbarkeit wissen sondern auch den "echten" Vornamen des Bond-Girls Penny O'Toole kennen (sie heißt im englischen Original "Plenty"). Derlei Querfeldeinbildung ergibt manchmal lustige Bücher, etwa wenn Chlada sich um die Geschichte der Utopien bemüht und dabei eine breite Schneise von Platon bis zu Perry Rhodan durchs Gestrüpp der Erkenntnis schlägt; oder so.
Andererseits schrecken Kulturkritiker wie Chlada auch nicht davor zurück, dumme Sekundärwerke über "Star Trek" zu zitieren, die behaupten, dass Käptn Kirk und seine Jungs an Bord der "Enterprise" pokern.
Wenn so einer sich zur Dialektik des Dekolletés äußert (Untertitel: "Zur kritischen Theorie der Oberweite"), darf man eine fröhliche Mischung aus Adorno und Russ Meyer, Habermas und Woody Allen erwarten. Da geht es um die Sexualisierung der Revolution, die normative Kraft des Fetischs, das immergeile Busenwunder "Oktobriana" aus dem sowjetischen Underground, um Lara Croft, André Breton, um Fourier, Lolo Ferrari, Larifari... "Fortsetzung folgt" steht am Ende des Büchleins, was ebenso frech wie logisch ist. Denn der wilde Ritt durch die Geschichte der - wie soll man sagen: "Busenwahrnehmung" ist erstens einer quer über alle Hauptstraßen hinweg (Russ Meyer und Fellini kommen vor; aber die eher knabenhaften Brüste in Pasolinis erotischer Trilogie werden nicht gestreift; sozusagen) und zweitens ist das alles garantiert sinnfrei.
Bei Autoren wie Chlada fällt bei aller intellektuellen Blödelei immer noch ein Eckchen Erkenntniszuwachs ab. Und sei es der, dass man eine Menge Anekdoten und Fakten der letzten 100 Jahre miteinander verbinden kann, ohne dass dabei irgendwie ein Sinn entstünde. Immerhin: Die Worte "Busen" und "Titten" kann man dabei ganz oft benutzen. Macht ja auch mal Spaß.
Erich Sauer
Marvin Chlada: Dialektik des Dekolletés. Zur kritischen Theorie der Oberweite Alibri, Aschaffenburg 2006, 126 S., mit zahlr. sw-Abb., 12,- ISBN: 386569019X