GESCHWÄTZIG
Der Besserwisser Mário de Carvalho will mal drüber reden Ein Duckmäuser rächt sich: Joel Strosse wird mit knapp 50 Jahren auf einen unbedeutenden Posten als Leiter der Bibliothek abgeschoben. Weil sein Leben auch sonst nicht das geworden ist, was er sich erhofft hatte (Sohn als Drogendealer im Knast, mit der Gattin überworfen), will er sein Leben neu ordnen, indem er in die Kommunistische Partei eintritt. Am Ende des Romans wird ihm das nicht gelungen sein, was eine fürchterliche Demütigung für Joel darstellt, für die er sich wiederum bei irgendwem röchen wird. Die Geschichte um den wildgewordenen Kleinbürger und die kleinbürgerlichen Wilden in der Partei ist nett ausgedacht. Es wäre auch bestimmt ein guter Roman daraus geworden, wenn Mário de Carvalho in Wir sollten mal darüber reden (im Buch eine Funktionärsphrase, die jede Diskussion beenden soll) nicht auch noch hätte zeigen wollen, wie man einen Roman dekonstruiert. Schier endlos sind seine Einmischungen als Erzähler, vielfach wird der Witz bemüht, daß nun eine Szene komme, die einfach nicht bescrheibbar sei, weshalb er sie jetzt auch nicht beschreibe. Und geradezu zum Gähnen sind seine Kommentare über Gott und die Welt, Kollegen und Freunde und das Eigenleben der Romanfiguren. Gelungen ist ihm nur die Figur, die er am wenigsten mag: eine junge, ehrgeizige, skrupel- und talentlose Journalistin zieht sich durch das Buch wie eine lästige Klette. Ihre Tricks, ihr Schmollmündchen und ihr Sex als Waffe müssen dem Feingeist Carvalho derart gegen den Strixch gegangen sein, daß er es bei ihr weitgehend bei der Handlung bewenden läßt uns sich aller Kommentare enthält. Genau dadurch aber bekommt diese Figur ihr kräftigstes Eigenleben. Wie auch die Nebenhandlung in der Medienwelt (wie lanciert man eine neue Zeitschrift? - man pinkelt Kollegen an, die schreiben empört Widerworte - schon ist man in aller Munde) gestraffter, witziger und böser wirkt als das quälend amüsante Geschreibsel über einen Kommunisten, der keiner ist und eigentlich nur eine Idee und Menschen sucht, die seinem langweiligen Leben einen Sinn geben. Daß die Kommunisten in Portugal unter ähnlichen Problemen leiden, ist ein netter Witz. Aber zu breitgetreten. Thomas Friedrich
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Mário de Carvalho: Wir sollten mal drüber reden Aus dem Portugiesischen von Ralph Roger Glöckler. Klett-Cotta 1997, 275 S., 36,- DM |