KRIMI

Kalt und blond

Carol O'Connells Cop-Blondine Mallory in der dritten Runde

Vor fünf Jahren schuf Carol O'Connell so etwas wie die weibliche Version von Jerome Charyns "Blue Eyes"-Cop: guten Herzens, mit scharfem Verstand, aber ziemlich amoralisch. Nur war O'Connells blonder Cop, das ehemalige Straßenkind Kathy Mallory, biografisch erheblich glaubwürdiger als das männliche Gegenstück. Und während Charyn in den 70ern seinen Cop Manfred Coen und vor allem dessen Chef in einer Tetralogie in den Wahnsinn absteigen ließ, steigt O'Connells Mallory in drei Romanen langsam in die Normalität auf.
Tödliche Kritiken ist der dritte und beste der Mallory-Romane. Er besitzt eine Handvoll Wahn, eine Tüte voll Witz und eine Baggerladung Traurigkeit. Während andere Krimis sich an möglichst blutrünstigen Details fiktiver Massenmörder aufgeilen, möchte einem hier schier das Herz brechen, wenn - erst am Ende - der grausame Mord und die anschließende Verstümmelung an einer jungen Frau aufgelöst wird.
Die Figur der Mallory, der kalten, blonden Polizistin ohne Gewissen, kann hier erstmals etwas zurücktreten, obwohl Tödliche Kritiken ganz ihre Geschichte ist. Aber sie wird mehr über die anderen Figuren erzählt: den charmanten Kunstkritiker mit verdächtiger Narbe an der Oberlippe, den ausgeflippten Modeterroristen, der vom Dach von Bloomingdale's aus per Megaphon Passanten wegen ihrer Klamotten anpöbelt. Und natürlich von all den Bezuspersonen, die seit Mallory's Orakel dabei sind: Der sanfte Riese Charles, der Säufer-Cop Riker, die unglücklich verliebte Ärztin Henrietta - sie alle stehen irgendwie beschützend und doch etwas ratlos am Rande, während Mallory einen zwölf Jahre alten Doppelmord aufklären will, bei dem aus den verstümmelten Leichen eines Paares eine Skulptur von obszöner Scheußlichkeit gefertigt wurde.
Und am Ende müssen sich alle fragen, ob eine Mallory, die langsam die Regeln der Gesellschaft kapiert, nicht viel gefährlicher ist als eine, die sie nicht zur Kenntnis nimmt. Denn je normaler Kathy Mallory auf die Gesellschaft reagiert, desto unverwundbarer scheint sie. Womit O'Connell zweifellos eine der stärksten Figuren des Frauenkrimis geschaffen hat. Und mit Tödliche Kritiken ihren bislang besten Roman.
Alex Coutts
Carol O'Connell: Tödliche Kritiken Aus dem Amerikanischen von Walter Ahlers und Peter E. Maier. Knaus, München 1998, 462 S., 44,90 DM