KUNST Strieses Welt Karel Capek blickt hinter die Kulissen Der Regisseur tobt, der Hauptdarsteller ist erkältet, die Diva unzufrieden mit ihrem Kostüm, der Chefbeleuchter schreit, ihm seien gerade zwei Scheinwerfer durchgebrannt - und all das während der Generalprobe. Der arme Autor des Stücks steht derweil verzweifelt im Zuschauerraum und schwört, nie wieder fürs Theater schreiben zu wollen. Im Geiste von Egon Friedell und Kurt Tucholsky ist Karel Capeks kleiner Aufsatz Wie ein Theaterstück entsteht verfasst, erstmals erschienen 1925 und jetzt als Geschenkbüchlein im Unionsverlag neu aufgelegt. Illustriert mit vielen Zeichnungen von Josef Capek, Karels Bruder, erzählt der kleine Aufsatz von einer Zeit, als Theater noch nicht subventioniert wurde, Autoren direkt für die Bühne schrieben (und nicht für den Bühnenverlag) und als Schauspieler ihre Fächer noch eindeutig ausfüllten: "Dem Damenensemble gehört die Tragödin oder Heldin an, die in großer Robe spielt, die erste Liebhaberin oder Lumpenkönigin (weil sie die meisten Kostüme braucht), die lyrische Liebhaberin (auch Heulsuse genannt), die Heldenmutter (Übername: Stinktier)..." - so liebevoll beschreibt Capek das Theatervölkchen auf und hinter der Bühne. Es sieht bei ihm alles ein bisschen so aus wie bei Emanuel Striese, dem Urvater der Theaterdirektoren und Komödianten. Und beim Lesen fragt man sich immer wieder, wem dieses künstlerisch sicher minderwertigere Theater so viel mehr Spaß gemacht hat als die heutige Kunstkacke? Und zwar den Schauspielern, dem Publikum und den Kritikern. Thomas Friedrich
Karel Capek: Wie ein Theaterstück entsteht. Aus dem Tschechischen von Otto Pick und Vincy Schwarz. Mit 47 Zeichnungen vom Josef Capek. Unionsverlag, Zürich 2012, 150 S., 12,95
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