GESCHICHTE
Sklavenjagd
»Die Prinzen von Calabar« - der Anfang vom Ende des Menschenhandels
Wer Steven Spielbergs Amistad-Film sah, sollte dieses Buch lesen. Wer nicht, muss. Das Vorwort von Randy J. Sparks klingt wie die Beglaubwürdigungsfloksel vieler historischer Schmöker. Eine alte Handschrift, durch Zufall aufgetaucht, enthüllt ein atemberaubendes Abenteuer aus schlecht überlieferter Zeit.
Für eine Erfindung aber ist Die Prinzen von Calabar zu dünn. Nur 200 Seiten Text, davon 30 Fussnoten und Register, braucht der Geschichtsprofessor aus New Orleans für die ausserordentliche Geschichte seiner Prinzen. Ephraim und Ancona Robin-John waren 1767 Junior-Chefs einer westafrikanischen Sklavenhändler-Familie. Bei einer unfreundlichen Übernahme durch konkurrierende Nachbarn und preisdrückende englische Kanonenboote gerieten sie in Gefangenschaft. Mehrmals verkauft und verschifft, geflüchtet und erneut gefangen, irrten sie 7 Jahre lang durch die Karibik, kamen nach Virginia und schliesslich nach England. Dort trafen sie auf die neu entstehende Methodisten-Kirche, die Sklaverei gotteslästerlich fand. Die Prinzen wurden Christen und erreichten vor dem obersten englischen Gericht ihre Freilassung. Zurück in der Heimat nahmen sie den Sklavenhandel wieder auf, der in England derweil untragbar wurde.
Randy Sparks erzählt Episoden der Odyssee aus Briefen der Robin-Johns nach und verbindet die Erlebnisberichte mit Auszügen aus der Fachliteratur. Ihm geht es darum, Sklaverei nicht nur als Leidensgeschichte ausgebeuteter Ureinwohner zu begreifen, sondern als ökonomische "Globalisierung" im atlantischen Raum.
Die Schrecken des Menschenhandels verschweigt er nicht, auch wenn die Zahlen, die er sporadisch nennt, nicht ganz zusammenpassen. Insgesamt sollen 12 Millionen Sklaven aus Afrika verschleppt worden sein, aber schon 1 Million waren es allein im 18. Jahrhundert nur aus Calabar an der Küste des heutigen Nigeria. Ein typischer weisser Sklavenkapitän stopfte 500 schwarze Menschen pro Fahrt in sein Schiff, verlor 20% auf See und hatte am Ende seiner Karriere doch nur 3000 gehandelt? Gab es 4000 Kapitäne?
Für ein Gesamtbild sei es ohnehin zu früh, findet Sparks. Afrika war nicht einfach "Rohstoff"-Lieferant, sondern ein "Kultur-Teilnehmer" mit komplizierten einheimischen Bevölkerungs-, Herrschafts- und Wirtschafts-Verhältnissen. Die Prinzen waren schon vor ihrer Entführung kosmopolitische Kreolen, gehörten zur Multikulti-Elite ihrer Region. Und sie setzten ihre Heimat-Identität, so moralisch bedenklich wir sie heute auch finden, mit "zivilisierten" Mitteln gegen den kruden Kolonialismus durch.
Spielbergs Amistad erzählt eine ähnliche Story, mit mehr Gefühl und weniger Analyse. Die spielt 1840 im Amerika. Da war England längst sklavenfrei, und die Prinzen waren reich und glücklich gestorben.
WING
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