GEWALT

Horrorshow

Der Klassiker von Anthony Burgess in neuer Übersetzung

Als er das Buch schrieb, hoffte der junge Burgess noch, dass Elvis Presley und andere Unarten der Jugendkultur bald verschwunden seien. Als es in winziger Auflage 1962 erschien, sahen die meisten Kritiker nur einen Haufen Unflat und unverständliche Gewaltorgien. Aber Andy Warhol war begeistert und verfilmte es sofort. Stanley Kubrick kam erst später, lehnte Burgess' eigenes Drehbuch zur Filmadaption ab und spielte sich mit Stanley Kubrick´s: A Clockwork Orange so sehr zum Schöpfer eines modernen Mythos auf, dass der Autor später kein gutes Haar mehr an ihm ließ.

Dabei mochte er seine tickende Apfelsine selbst gar nicht so sehr und wäre lieber wegen seiner vielen anderen Romane berühmt geworden. Trotzdem schrieb er später auch eine Musical-Fassung, nach der die Toten Hosen dann wieder ein Konzeptalbum machten. So grub sich Burgess tief in die Jugendkulturen ein, mit einer im Grunde theologischen Parabel, die er schrieb, als es etwa noch gar keine Hooligans gab.

Deshalb übersetzt Ulrich Blumenbach in der neuen, restaurierten und um allerlei Nebentexte erweiterten Ausgabe auch "Halbstarke", um die Sperrigkeit des Originals wiederzubeleben. Ebenso verwendete er viel Mühe auf den von Burgess erfundenen Nadsat-Slang, in dem sich zwangsentlehnte russische Wörter (horrorshow für charaschow = gut) mit Altenglisch mischen. Das verlangt viel Mühe beim Einlesen, aber schon bald kriegt man mit, was die Wecken und Schenas da goworitzen; also schwatzen. Und wie sich kindliche Sprache mit gestelzter Altklügelei mischt.

Hauptperson Alex liebt Beethoven und hat keine Moral. Führt eine Kumpeltruppe von Drogenexzessen zu Prügelorgien und Vergewaltigungen. Und wird vom totalitären Staat gewaltsam resozialisiert. Eine psychologische Konditionierung zwingt ihn zur Friedlichkeit, was den Täter zum Opfer der Rache seiner früheren Opfer macht.

Dann folgen noch zwei Kapitel, von denen Kubrick damals das letzte gar nicht erst verfilmte. Alex nämlich wird zur Freiheit der Entscheidung zwischen Gut und Böse geheilt und erkennt allmählich, dass man auch ohne tollschocken leben kann, ohne Geprügel und ohne zum Wohlverhalten geprügelt zu werden.

Ein großes Buch in einer modernen, neu verfremdenden Fassung.

Wing

Anthony Burgess: Clockwork Orange. Aus dem Englischen von Ulrich Blumenbach. Klett-Cotta, Stuttgart 2013, 352 S., 21,95