BÜRGERRECHTE
Trau schau wem
Das »Schwarzbuch Datenschutz« und der Big Brother Award
Eine Grundschule meldet ihre I-Dötzchen regelmäßig der Orts-Sparkasse für Werbemaßnahmen. Ist das schlimm? Die Polizei beschafft sich Handy-Daten, um per Anruferidentifizierung Zeugen zu finden, die in der Nähe eines Tatorts telefonierten. Fängt da Orwell an? Oder muss man sich Sorgen machen, weil der Rabattkarten-Dienst das Familienverbrauchs-Protokoll an Firmen weiterverkauft, die Kreditwürdigkeit als Scoring-Wert aus Pampers-mal-Bier-durch-Tafelsilber-Formeln berechnen?
Solche Fälle sammelt das Schwarzbuch Datenschutz, und die "Lobreden", die in den letzten Jahren anlässlich der deutschen Big Brother Awards auf beispielhafte "Datenkraken" gehalten wurden.
Seit 2000 verleiht ein buntes Konsortium von Daten- und Verbraucherschützern, Netzaktivisten und Bürgerrechtlern diese "Oscars für Überwachung". Es werden Firmen, Personen und Behörden ausgezeichnet und angeschwärzt, die es mit bestehenden Gesetzen nicht so genau nehmen, den Überwachungsstaat befördern oder ganz allgemein Persönlichkeitsrechte verletzen.
Man muss der in 14 Ländern aktiven Big Brother Awards-Bewegung nicht in allen Bewertungen zustimmen. Man kann gegen Datenmißbrauch sein und es trotzdem nicht für ein Bürgerrecht halten, an öffentlichen Plätzen unbeobachtet zu bleiben. Aber man wird dem Hauptvorwurf der Jury sofort zustimmen: wer Daten im geheimen sammelt, macht sich verdächtig. Wer den Verwendungszweck nicht angibt, hat wohl etwas problematisches vor. Und wer Nachfragen abblockt, gehört öffentlich abgewatscht.
Wenn das Paranoia ist, dann genau die, mit der Datensammler auf jeden Hauch von Kritik reagieren. Wer sich etwa nach seinem Scoring-Wert erkundigt, wird gern automatisch heruntergestuft, wer Datenweitergabeklauseln aus Formularen streicht, kommt in eine Risiko-Datei.
In einigen Fällen haben die Big Brother Awards dazu geführt, dass Firmen oder Institutionen ihre Daten-Politik überdachten oder wenigstens ihre Formulare verständlicher machten. In anderen sind die Begründungen für den Negativ-Preis und die Recherchen über die abenteuerlichsten Firmen-Verflechtungen ein schönes Stück Aufklärung an sich.
Und mindestens in einem Fall spricht die Jury der kochenden Volksseele aus dem Herzen: die GEZ ziehe rechtswidrig, hinterlistig, belästigend und zugleich unprofessionell Gebühren für den öffentlichen Rundfunk ein. Der ließe sich auch mit einer einfachen Pauschalregelung sichern (Gebühren pro Haushalt, pro Gerät oder als Prozentsatz von der Mehrwertsteuer). Statt dessen aber häuft die GEZ weiter einen unüberschaubaren Daten-Apparat an, bald auch für Handy mit Netz-Zugang, der den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gröblich verletzt.
WING
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