ANTISEMITISMUS Nie wieder Jud Henryk M. Broder macht sich mal wieder unbeliebt Er mag es gern ein bisschen provokant. Kaum ist sein neues Buch Vergesst Auschwitz! erschienen, schon legte er nach mit der Forderung "Bomben auf Auschwitz". Wenn die Amerikaner damals vergessen hätten, die Vernichtungsmaschinerie im Konzentrationslager durch einen Luftangriff zum Stehen zu bringen, dann sollten die Deutschen heute doch den "Themenpark Vergangenheitsbewältigung" einfach wegsprengen, um die verlogene Erinnerungs-Automatik zu überwinden: Irgendwie nehmen es die Deutschen den Juden nämlich immer noch übel, sich von uns zu Millionen einfach ermordet haben zu lassen - wohingegen uns 120 Holocaust-Gedenkstätten im Umkehrschluss zu erlauben scheinen, dem heutigen Israel Nazi-Methoden vorzuwerfen. Solche Zirkel findet Broder überall und bei jedem. Dass "die Rechte" sich abfällig über Juden damals und heute äußert, regt ihn schon längst nicht mehr auf. Dass wohlbestallte Antisemitismus-Forscher neuerdings den Antiislamismus gleich mit erforschen wollen, schon. Es ist eben nicht ein Ressentiment wie das andere. Und irrationale Ängste vor Moslems, die in der Minderzahl Bomben werfen und in der Mehrzahl andere Moslems umbringen, darf man nicht verwechseln mit einer "Israel-Kritik", die den Gaza-Streifen für das Warschauer Ghetto hält. Zumeist stoßen Broder Einzelfälle auf, von Günter Grass oder Christian Wulff bis zur Parteispitze der "Linken" oder einem durchgeknallten RBB-Radiomoderator. Alle ertappt er bei grotesken Formulierungen und schlimmen Denkfehlern, die sich schließlich effektvoll in einer Leserbriefkampagne entladen, in der das Volksmaul Broder derart beschimpft, dass andere wohl die Polizei gerufen hätten. Für Broder dient der unverdaute Zorn eher als Beweis für die These, dass auch reflektierenden Leuten der Jude quer im Hals steckt, der Antisemitismus eben nicht unmöglich geworden ist, sondern als Antizionismus wieder ausbricht. Zugegeben, nicht immer so schlimm wie bei dem deutschen Terroristen Wilfried Böse, der 1976 in Entebbe den Flugzeugentführern half, die jüdischen Fluggäste zu selektieren: weil, Broder lässt keine Gelegenheit zur Schmähung aus, die Palästinenser wegen gewisser Bildungsdefizite die Pässe nicht lesen konnten. Solche Witze muss man ertragen. Dies ist nur ein Buch. Ein erschreckendes und belustigendes. Wing
Henryk M. Broder: Vergesst Auschwitz! Der deutsche Erinnerungswahn und die Endlösung der Israel-Frage. München, Knaus Verlag 2012, 175 S., 16,99
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