SCIENCE FICTION
Copy that!
David Brin rührt Quanten und Religion zusammen
In der Science Fiction gilt seit den 90ern: nur wer dicke Bücher schreibt, ist bedeutend. Insofern ist David Brin ein bedeutender Autor. Für Copy verbraucht er knapp 700 Seiten.
Das Thema: In naher Zukunft können wir mühelos Kopien von uns selbst herstellen. Wir legen uns in einen "Kiln"-Apparat (Original-Romantitel: "Kiln People"), erzeugen beliebig viele Doppelgänger, die wir dann zur Arbeit schicken, auf gefährliche Abenteuer, zu verbotenem Sex. Abends kommt das Doppel zu uns zurück, und wir können die Erfahrungen "inloaden". Das Leben wird virtuell.
Die zu diesen Zwecken erzeugten Doppel besitzen ein "Ich", ein entwickeltes Bewusstsein, das sie abends bei Herrchen oder Frauchen wieder abgeben. Auch das wirft die Frage auf: haben diese "Ditos" eine Seele? Um diese Frage herum entwirft Brin eine wüste Detektiv-Story, in der die bekannten Klischees zum Einsatz kommen: Der clevere Ermittler, der verrückte Wissenschaftler, der böse Gegenspieler mit Charakter, der im Rollstuhl sitzende Kumpel mit rettenden Ideen.
Es dauert 300 Seiten, bevor die Beteiligten anfangen, über das eigentliche Thema zu reden, nämlich ob Bewußtsein und Seele Quantenphänomene sind, die sich bändigen lassen. Und ob man mit einem "Seelenverstärker" ein Wesen erschaffen kann, das Gott sehr nahe kommt. Und ob der "Beobachtereffekt" auch fürs Universum gilt: Gott sieht - deshalb existieren wir.
Das ist einerseits grandioser Humbug, andererseits eine klug erzählte Kriminalgeschichte, ergänzt um Ausflüge in die Esoterik und mit viel falsch verstandener Physik (Mikrophänomene wirken nunmal nicht im Makrobereich).
Erzählt wird das aus der Perspektive des Detektivs Morris und seiner "Ditos", weshalb Brin mit einem einzigen Erzähler auskommt, dabei aber vielerlei Perspektiven wählen kann; für irgendwas muss die drollige Idee ja gut gewesen sein.
Alex Coutts
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