ROCK'N'ROLL Der ewige Amerikaner Bruce Springsteen wird 60, und der Geschichtsprofessor Louis P. Masur bespricht seine wichtigste Platte und ihre Folgen für die Welt 1974 war die Karriere von Bruce Springsteen beinahe zu Ende. Zwei Alben lang hatte er als "der neue Bob Dylan" das Wohlwollen der Kritiker erlangt, aber nicht genug verkauft, um mehr als eine Hoffnung zu sein. Dann trat Nixon zurück, Springsteen nahm einen Saxophonisten in die Band, und der Musikkritiker Jon Landau jubelte nach einem Konzert überschwänglich: "Ich habe die Zukunft des Rock'n'Roll gesehen". Der "Boss" kam mit seiner dritten Platte zur gleichen Zeit auf die Titelseiten vom Time Magazine und Newsweek und wurde ein Superstar. Ausführlich analysiert der Geschichtsprofessor Louis P. Masur in Born to Run - Bruce Springsteens Vision von Amerika, wie es dazu kommen konnte. Wie ein Arbeitersohn sich einen Ruf als ehrliche Haut erspielte und plötzlich das größte Rock-Album aller Zeiten machen wollte. Wie sich katholische Erziehung und ganz unverstellte Leidenschaft fürs Autofahren zu einem glaubwürdigen Nonkonformisten-Pathos mischten. Wie Liedermacherei und ein Hang zu Phil Spector-Pop plötzlich eine neue Stimme ergaben, auf die das nach Watergate und Vietnam tief deprimierte Amerika scheinbar gewartet hatte. Masur vergleicht akribisch unterschiedliche Textfassungen vieler Songs, verfolgt Themen über die folgende Karriere hinweg, bespricht einzelne musikalische Ideen und weiß zu fast jedem Rhythmuswechsel etwas Kluges zu sagen. Und er enthält sich sichtlich der Götterverehrung. Wing
Louis P. Masur: Born to Run - Bruce Springsteens Vision von Amerika Aus dem Amerikanischen von Yamin von Rauch. Rogner & Bernhard bei Zweitausendeins, Berlin, 288 S., 19,90
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