URLAUB
Heidi auf Entzug Simon Borowiak erzählt von der Unmöglichkeit, normal zu sein S. Borowiak kennt sich aus, mit Psychiatrie und Pointen, Todeslust und Lebenstrauer und mit dem ganzen Formulierungsschwurbel, den Therapeuthen und Normalos so über existentielle Krisen ausgießen. Als Simone Borowiak hat er früher mal ein paar lustige Romane voller witziger Bösartigkeiten geschrieben (am berühmtesten und verfilmtesten: Frau Rettich, die Czerny und ich), als Simon Borowiak kommt er nun nach langer Auszeit zurück. Schärfer, weiser, witziger und literarischer dazu. Fünf halbwegs Erwachsene um die Dreissig fahren für ein paar Tage auf eine Skihütte, zwei Paare und der Erzähler, der kürzlich aus der Klappse kam und davon einen klaren, ungerechten Blick für Lebenslügen aller Art zurückbehalten hat. Eine dritte Frau taucht auf, das Urlaubsglück kriegt Spannungsrisse und am Ende ist eine Figur tot. Aber Wer Wem Wen ist kein Berg-Thriller. Eher Heidi auf Entzug. Man spielt im Buch ein bisschen heile Welt und geht sich doch schnell an die Gurgel. Man hört aus dem Buch ein paar Echos von Robert Gernhardts Sommer-Drama Die Toscana-Therapie (Borowiak war lange Titanic-Redakteurin), eine Figur aus einem früheren Borowiak-Roman taucht wieder auf (Cromwell, die Klappsen-Bekanntschaft des Erzählers), und das ganze Abenteuer ist als Rückblende aus dem Sommer danach angelegt. Weitere Rückblenden führen in den Psychiatrie-Aufenthalt davor, aber Borowiak vermeidet deutlichere Anspielungen auf sein eigenes Leben. Eher spielt er mit dem Eindruck, dass hier ein austherapierter Spötter am Busen der verschneiten Natur sein inneres Personal noch mal so richtig durchknallt. Außerdem schreibt sein Held während der Erzählung ein Gedicht. Das fängt so an: "Am Morgen wünsch ich mir den Tod, so geht das bis zum Abendbrot". Das muss ja gut ausgehen. WING
Simon Borowiak: Wer Wem Wen. Eine Sommerbeichte Eichborn, Frankfurt 2007, 184 S., 14,95 |