BRIEFE
Dicke Seele Martina Borgers erster Alleinflug »Lieber Luca« Zusammen mit Maria Elisabeth Straub hat Martina Borger in 15 Jahren mehrere Hundert Stunden TV-Drehbücher geschrieben, ohne damit besonders aufzufallen. Dann beschloss das Duo, Frauenromane zu schreiben, und "Borger & Straub" wurde ab 2001 ein erfolgreiches Markenzeichen. Die (meist weibliche) Kritik lobte die elegante Prosa und die genaue Kenntnis der Frauenseele, ein gewisser Hang zu Soap-Verwicklungen und Kummerkasten-Psychologie fiel aber auch auf. Jetzt schrieb Martina Borger zu ersten mal allein - und prompt ist die Eleganz dahin ("ich ließ das Üben schleifen und in meinen Fortschritten nach"). Dafür kommt die Seele jetzt ganz dicke. Eine Frau in den besten Jahren schreibt Briefe an ihren Sohn, schickt sie aber nicht ab, sondern sammelt sie in einer Keksdose. Außerdem schreibt sie fast wie an einen verflossenen Liebhaber. Das irritiert den Leser anfangs und am Ende ihren netten Freund, der sich aus Sorge um ihre Seele an ihre geheimen Briefe macht. Dazwischen erinnert sich die Briefschreiberin an ihr Leben und ihre Fehler. Sie hatte eine tolle Zeit, einen super Liebhaber und einen süßen Sohn, und plötzlich ging alles schief. Der Kerl ging fremd, der Sohn wollte vom Vater nicht lassen, und die Mutter war zu stolz in ihrem Beleidigtsein, um anders als allein da raus zu kommen. Viel mehr passiert nicht. Irgendwie gehen die Alltage rum, und allmählich findet die Mutter über die vielen Rückblenden in ihren Briefen, teils bis in ihre eigene Kindheit, zu neuem Mut. Vielleicht wird sie ihren Sohn wiedersehen, vielleicht wagt sie danach ein anderes Leben ... der letzte Brief endet, das dünne Buch ist aus, bevor die "Alles wird Gut"-Kitschfalle zuschnappen kann. Gut so. WING
Martina Borger: Lieber Luca. Diogenes, Zürich 2007, 207 S., 18,90 |