ALTE MÄDELS

Sündenbabel Pinneberg

Wenn Frauen über Frauen schreiben

Drei Mädels um die 40, allesamt dem Provinznest Pinneberg entlaufen, machen zusammen Urlaub: Dodo, die Chaotin, die gern mal zu tief ins Glas blickt und niemals Geld hat, die reiche Claire, eine modebewusste Eisprinzessin, die sich ihre Gefühle niemals anmerken lässt und dafür um so mehr von ihnen gebeutelt wird, und zuletzt die gute Seele und Organisatorin des Spaßes, Nora. Sie ist der Inbegriff eines Hausmütterchens, betet aber ihre ach so originellen Freundinnen seit jeher an und empfindet die gemeinsamen Reisen stets als Highlight des Jahres. Schon diese Ausgangssituation kann der Leser eigentlich nur mit Besorgins wahrnehmen, sind doch bereits in den Hauptpersonen alle Klischees angelegt.
Was folgt, entspricht tatsächlich den düstersten Erwartungen, die man an einen Frauenroman stellen kann. Das Autorinnen Duo Martina Borger und Maria Elisabeth Straub, das bisher Drehbücher für ganze 250 Stunden Fernsehprogramm zustande brachte, hat sich scheinbar die Soaps des Vorabend-TV-Programms sehr zu Herzen genommen. Die beiden haben in ihren gänzlich misslungenen Debütroman so ziemlich alles hinein gequetscht, was Menschen im Leben an Tragischem widerfahren kann. Und weil das für ein Menschenleben dann doch zu heavy wäre, nehmen sie eben drei, die überaus bedauernswerten Ladys aus Pinneberg.
In dem Dorf hinter Hamburg ist natürlich jeder auf jeden eifersüchtig, Freunde wechseln hinterhältig die Betten, Adoptivväter vergewaltigen schamlos die Töchter, soziale Randgruppen werden eiskalt diskriminiert, Mütter von volltrunkenen Fahrerflüchterinnen überrollt und sterbend zurückgelassen. Die sündigen Bibel-Städte Sodom und Gomorrha waren nichts gegen Pinneberg! Dazu kommen dann im Laufe des schmalen aber beladenen Bandes noch ganz andere Geschichten, Alkohol- und Tablettensucht, Aids und Selbstmord sind nur einige davon.
Die Autorinnen haben sich immerhin bemüht, das Ganze geschickt aufzubauen. Sie lassen die Figuren im Dreier-Rhythmus erzählen, jede schildert tagebuchartig ihre Perspektive und bezieht sich dabei so oft auf die Geschehnisse der Vergangenheit, bis auch der begriffsstutzigste Leser kapiert hat, dass Claire vergewaltigt wurde, Nora todkrank ist und Dodo ihren Job verloren hat. Da die drei über nichts von alledem reden, entstehen auch keinen nennenswerten Dialoge, entwickelt sich kein offener Konflikt. Auch die Kunst, die Spannung bis zum Schluss zu halten, beherrschen Borger und Straub nicht (das Ende strotzt vor melodramatischem Kitsch), die Komposition ist mehr ein Versuch denn ein Erfolg.
Julika Pohle
Martina Borger, Maria Elisabeth Straub: Katzenzungen. Diogenes, Zürich 2001. 357 S., 39,90 DM