FUMMEL

Schwanz & Schmiere

In »Flammende Herzen« erzählt Walter Bockmayer sein Leben

Walter Bockmayer? Kennen den jüngere, Nicht-Kölner und Fummel-ferne überhaupt noch? Nun, "Wally" ist der Gründgens des Boulevard-Theaters, der Fassbinder des Transen-Films, der Achternbusch der Fummel-Oper, und er ist clever genug, seine Autobiographie gleich auf der ersten Seite mit einer Erwähnung seiner Hämorrhoiden zu würzen. Und auf der nächsten Seite mit einem gespielten "Huch" und dem feierlichen Versprechen, "sich nicht zu bessern", auf einen Schelm anderthalbe zu setzen. Getoppt von dem Eingeständnis, von Analverkehr aber auch gar nichts zu halten.
Es folgt ein harter Ritt durch eine Jugend in der Pfalz, eine Vergewaltigung im Pfarrhaus und viele amerikanische Soldaten-Bars. Klein-Wally stolpert arglos durch die Spießer-Welt und ihre Schattenseiten. Er strandet in Amerika, er dilettiert als Stricher in Köln, er dreht Super-8-Kurzfilme im Stadtwald, wird Garderobier am Theater und liebt seit damals seinen Mann Rolf. Später gerät er an Fassbinder, wird wild und berühmt und kokainsüchtig. Möglicherweise deshalb gehen Zeiten und Geschlechter in Wallys Leben ständig mit ihm durch. Man muss schon eigene Listen führen, um nachzuhalten, was wann und wer was war (ist seine "Mary" die von "Geordie"?).
Wally erzählt wüst drauflos, von rührenden Kneipengründungen, schrillen Tunten-Shows, katastrophalen "Hinter dem Vorhang"-Begebenheiten und allerlei sonstigen Abenteuern im Outback weltweit. So etwa Ende der 70er war seine berühmteste Zeit: die "Geierwally" brachte es sogar ins Fernsehen, und zweimal setzte es den Bundesfilmpreis.
Ernsthafte Interessenten am deutschen Off-Theater und -Film werden ein Register und eine Zeittafel vermissen, weniger ernsthafte wie Hella von Sinnen finden das Ehrliche, Offene, Groteske und Deftige daran ganz toll, und besorgte Gemüter können beruhigt sein: Sex mit Schafen lehnt Wally ebenso ab wie chemische Stimulantien, mit Ausnahme von Andechser Bockbier.
Zwei Dönekes noch: Wallys größte Pleite dürfte eine Rocky Horror-Inszenierung in Köln gewesen sein, bei der eine männliche Schwanzspitze den Mund des Films doublete, aber keiner erkannte den Witz; und Wallys neuester Streich ist ein Musical über den Karnevals-Papst Willy Ostermann. Nach dessen Premiere 2003 verließen alle meine Kölner Bekannten fluchtartig die Stadt, aber das hat wohl nichts mit Bockmayer zu tun, und seiner Drohung, demnächst einen Directors Cut seiner Bio zu schreiben, in dem alles steht, was er diesmal aus Pietät wegließ.
WING
Walter Bockmayer: Flammende Herzen. Mein Leben. dtv, München., 358 S., 14,50, ISBN: 3423244399