DENKER
Wichsen statt Wut Maxim Biller ist immer noch da Bei Maxim Biller kann man anrufen und sich für Geld ein Gefühl kaufen. Seines. Derlei Existenzen nennt man "Publizisten" oder "Kolumnisten". Joseph von Westfalen betreibt das gleiche Geschäft, auch Henryk M. Broder; Billers berühmte Kolumne Ende der 80er hieß "100 Zeilen Haß". Wie viele Zeitgeist-Erscheinungen war Biller irgdenwann "da" und irgendwie "cool". Man wird älter. Josef v. Westfalen will inzwischen nur noch geliebt werden und möglichst viel Ficken, Henryk M. Broder arbeitet als lebende Schnurre beim SPIEGEL, und Biller kriegt den "Preis des europäischen Feuilletons" (wer immer den vergibt) und schreibt Bücher, die irgendwie kritisch sind. Das neue enthält Aufsätze und heißt Deutschbuch. Da geht es immer um Deutschland. Biller über Ulrike Meinhof: "Sie hat zuerst das Abenteuer in ihrem Kopf und in ihren Kolumnen gesucht, sie hat deshalb ihre Feinde - Springer, Strauß, Notstandsgesetze - zu diesen übermächtgen, allesbedrohenden superfaschistischen Dämonen hochneurotisiert, weil sie nur so richtig gut draufkam." - hier verwechselst er Wichsen mit Wut. Biller über die Liebe: "Ich bin mir sicher, daß der totale 89er Sieg des Kapitalismus ( ...) verdammt viel damit zu tun hat, wie flüchtig und selbstsüchtig die Menschen heute einander lieben." - ganz abgesehen vom Wetter oder aber auch von den bescheuerten "Gib Gas ich will Spaß"-Zeitgeistmagazinen, die Biller einst nach oben spülten. Biller über Revoluzzer: " ... da wandte die 68er Brigade für ein paar Jahre den Blick nach außen und entfernte sich fröhlich vom eigenen Ich. Das ist ganz wörtlich zu verstehen, nicht metaphysisch." - das hat man oft, dass jemand, der beschissen schreibt, auch Scheiße denkt (bei Biller kommt noch hinzu: er sieht auch scheiße aus). Wie gesagt: Der Mann wird für Gefühle bezahlt, nicht für Gedanken. Davon kann er leben. Thomas Friedrich
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Maxim Biller: Deutschbuch. dtv Nr. 12886, München 2001, 335 S., 24,50 DM |