AMERIKA
Ein Mann im Zorn Die Biographie des Journalisten und Erzählers Ambrose Bierce »Patriotismus - die letzte Zuflucht eines Schurken«. (Samuel Johnson) »Nicht die letzte - die erste!« (Ambrose Bierce) Journalist, Kolumnist, Satiriker, Schöpfer seltsam kalter Gruselgeschichten, Erfinder von "Des Teufels Wörterbuch" - Ambrose Bierces Stellung in der Literatur ist eine Schwankende. Sei's drum! sagt der Autor Roy Morris in seiner profunden Bierce-Biografie Allein in schlechter Gesellschaft, Bierce war vor allem als Zeitzeuge wichtig. Kein anderer Autor von Rang hat den amerikanischen Bürgerkrieg derart lange und intensiv miterlebt und später darüber berichtet. Der Schlüssel zu Person und Werk, so Morris, liegt in den vier Jahren, die Bierce Soldat war. Bierces Lebensgeschichte, wie Morris sie ausbreitet, gibt das als These durchaus her. Bevor Bierce sich als 19jähriger freiwillig auf Seiten der Föderierten zum Krieg meldet, war er nicht mehr als ein etwas schnöseliger, rastloser junger Mann, der seiner Umwelt vor allem durch schlechte Laune auf die Nerven ging. Nach dem Krieg - inzwischen bis zum Stabsoffizier im Feld befördert - macht Bierce als Kolumnist, als "bitter Bierce" und "The wickest man in San Francisco" von sich reden. Viele Jahre ist er der Star in der wilden Mannschaft des jungen William Randolph Hearst, des kommenden Pressemoguls der USA, der Bierce ausdrücklich erlaubt, in seinen Kolumnen anderer Meinung zu sein als der Herausgeber. Dass Bierce, im Auftrag von Hearst, in einem sechsmonatigen publizistischen Dauerbeschuss (für den er extra nach Washington zieht) schließlich den Eisenbahnkönig Huntington zu Fall bringt, ist Beleg dafür, dass Bierce fulminantes Talent, andere zu beleidigen und über Kapitalisten wie talentlose Dichter herzuziehen, tatsächlich eine Richtung und eine Wirkung hatte. Mindestens ein junger Dichter soll sich nach Bierces öffentlichem Verriss das Leben genommen haben. Bierces Beschimpfung sind ebenso pathetisch wie witzig, politisch schwer einzuordnen, sein Kampf für Minderheiten steht direkt neben seiner Frauenfeindlichkeit - was ihn nicht hindert, später als Mentor ihn anhimmelnder junger Dichterinnen aufzutreten. Bierces Vorliebe für das Morbide, in seinen Kolumnen ebenso präsent wie in seinen Storys, ist eine Art Kriegsverletzung. Minutiös weist Morris nach, welche von Bierce Kriegs-Geschichten sich auf welche Schlacht des Bürgerkrieges bezieht (soweit Titel wie "Was ich von Shiloh sah" das nicht sowieso deutlich machen). Die Schrecken und absurden Metzeleien des ersten modernen Krieges - denn das war der amerikanische Bürgerkrieg zweifellos - hat Bierce als Zeuge und Täter miterlebt. Wie Tausende unter dem Befehl eines idiotischen Kommandeurs sinnlos hingeschlachtet werden, wie das Kriegsgerät längst eine andere Kriegsführung erzwingt als es die Offiziere gelernt haben - das ist in Bierces Geschichten zu finden. Ähnlich wie Walt Whitman, der in einem Lazarett arbeitete, hat Bierce diesen Krieg nie wirklich verlassen. Am Ende seines von (auch selbstverschuldeten) Tragödien überschatteten Lebens reist Bierce noch einmal zu den Schlachtfeldern, auf denen er gekämpft hat. Bevor er, der eigenen Legende folgend, in Mexico verschwindet und im dortigen Krieg stirbt. Morris ist nicht der erste, der dieses Lebensende für ausgemachten Blödsinn hält. Es gibt keine Beweise für Bierces Teilnahme an einem Krieg, dessen "Held" Pancho Villa er verachtete. Wahrscheinlicher ist, so Morris, dass Bierce sich selbst umbrachte. Nicht nur darin wäre er ein Vorbild für Ernest Hemingway. Neben der guten Werkkenntnis, dem schlichten Erzählstil und einem hervorragenden Stichwortverzeichnis ist an Morris' Biografie zu loben, dass sie sehr ausführlich die jeweilige politische und Kriegsgeschichte vorstellt, vor deren Hintergrund sich Bierces Leben und Werk abspielen. Selbst wenn man zuvor nie ein Wort von Bierce gelesen hat, ist diese politische Literaturgeschichte ein Gewinn. Schon weil sie Lust macht auf einen der sardonischsten Kritiker, die je ihr selbstverliehenes Szepter schwangen. Thomas Friedrich
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Roy Morris: Ambrose Bierce. Allein in schlechter Gesellschaft. Aus dem Amerikanischen von Georg Deggerich. Haffmans, Zürich 1999, 488 S., 59,- DM Eine vierbändige Bierce-Ausgabe ist ebenfalls bei Haffmans erschienen. |