BIBELEI
David und die Mafia Alttestamentarische Propheten, Richter und Könige in den Augen des Ungläubigen Meir Shalev Als die Königin von Saba mit ihrem Gefolge die Wüste durchquert hatte, um König Salomon zu besuchen und seine legendäre Weisheit zu prüfen, da ... tja, nix "da", an der Stelle blendet sich die Bibel einfach aus. Und trotzdem sind wir alle sicher, zu wissen, wie schön und reich die schwarze Königin gewesen ist und wie Salomon ihre "Prüfungen" bestand, indem er sie wahrscheinlich auch noch vögelte. In Wahrheit, so der israelische Schriftsteller und Journalist Meir Shalev, war sie wohl einfach eine emanzipierte Frau, die sich nicht scheute, mit einem in den Ring zu treten, der gemeinhin als weise galt. Derlei weiblicher "Hochmut" wurde in der Bibel mit Mißachtung und in den Legenden mit chauvinistischen Verdächtigungen bestraft. So pragmatisch und textnah hat sich Shalev (für eine Zeitungskolumne) mit vielen Stellen des Alten Testamentes befaßt. Zum Beispiel mit Hiob: Wegen einer Wette mit Satan läßt Gott es zu, daß dem biederen, frommen Hiob alles materielle Gut genommen wird und all seine Kinder umkommen. Schließlich taucht Gott persönlich auf (immerhin hat er eine Wette mit Satan gewonnen) und hält eine endlos lange Rede, die, vorsichtig gesagt, ziemlich an der Sache vorbeigeht. Shalevs Empfehlung: Gott solle sich "beim nächsten Mal qualifiziertere Redenschreiber" suchen. Oder David: Der zweite König war in seiner Jugend ein rechter Räuberhauptmann, Schutzgelderpresser und Tunichtgut, der im späten Alter so vertrottel war (Shalev: "Materialermüdung kommt überall vor"), daß er sich von seiner Frau Bath-Seba (das ist die mit dem offenen Badezimmerfenster) einreden ließ, er hätte den Thron Salomon versprochen. Woraufhin der Intriganten-Priester Nathan und Bath-Seba ein Testament Davids fälschten, das zwei Mordaufträge enthielt; zumindest der letzte Teil ist Interpretation von Shalev, aber gut begründet. Überhaupt kommt David bei Shalev schlecht weg - für gläubige Juden ein Sakrileg sondergleichen; selbst Jesus wurde im Nachhinein ein Abstammung "aus dem Hause David" untergeschoben, da der erste "richtige" Judenkönig (Saul zählt nicht) als König der Könige geführt wird. David war kriegslüstern, ein Ehebrecher und Mörder, ein mieser Freund und Prahlhans. Allerdings: Den Tempelberg, das Heiligtum der Juden, hat er nicht geraubt, sondern brav käuflich erworben. Shalev widmet ein ganzes Kapitel dem Landerwerb im Alten Testament, um die unsinnigen Ansprüche orthodoxer Juden in der Gegenwart ad absurdum zu führen. Neben der erfrischend ungewohnten (und meist respektvollen) Nacherzählung der Bibel ist der Brückenschlag zur Moderne eines von Shalevs Leitmotiven. Gemessen noch an den schwächsten biblischen Richtern und Propheten sieht die israelische Regierung (damals war's Begin) einfach nicht gut aus. Und ihre aus den alten Texten abgeleiteten Rechte der Juden an Israel sind, so Shalev, ziemlich konstruiert. Kein Wunder, daß seine Kolumnen in Israel heftig angefeindet wurden; das Instrumentalisieren religiöser Texte ist seit jeher ein Privileg der Gläubigen. Wenn ihnen Ungläubige nachweisen, daß sie nicht lesen können, werden sie ausgesprochen unleidlich. Zu loben ist, neben dem Unterhaltungswert, die Übersetzung von Ruth Melcer. Sie hat nicht nur einen sehr guten Anmerkungsapparat verfaßt, sondern sich auch bei Bibelzitaten nicht auf Übersetzungen verlassen und alle Zitate selbst aus dem hebräischen übersetzt. Weshalb wir an einer Stelle einen kräftigen "Wandpisser" geboten bekommen, wo Luther nur einen "Mann" sah. Wie so oft im Leben gilt: Drastischer ist meist deutlicher. Erich Sauer
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Meir Shalev: Der Sündenfall - ein Glücksfall? Alte Geschichten aus der Bibel neu erzählt. Aus dem Hebräischen von Ruth Melcer. Diogenes 1997, 348 S., 39,- DM |