TV-STORYS

Fernsehen für Deppen

Jürgen Bertram schreibt sich seinen Frust über ARD und ZDF von der Seele

Seit seiner Erfindung ist das Fernsehen der Lieblingsfeind aller Kulturpessimisten. Was den pensionierten NDR-Redakteur Jürgen Bertram von Neil Postman und anderen Apologeten unterscheidet, ist sein prinzipieller Glaube an das Gute in der Glotze.
Der Start war ja auch nicht übel: Nach den Erfahrungen mit Göbbels und Volksempfänger verdonnerten die Alliierten die Medien zur Aufklärung des deutschen Volkes. Unterhaltung war Nebensache, die Verfilmung von Brechts Dreigroschenoper erreichte eine Einschaltquote von 81 Prozent.
Aus Bertrams Sicht war der parteipolitische Einfluss von Anfang an das Hauptproblem. So wurde der NDR von Konservativen seinerzeit bis in die 70er als dogmatischer Rotfunk stigmatisiert. Im Kalten Krieg drehten die Kollegen tatsächlich noch mit ideologischem Schmackes. So erwähnt Bertram selbstkritisch eine NDR-Doku über deutsche Spanien-Urlauber, die dort als Beweis für Entfremdung im Kapitalismus herhalten müssen.
Inzwischen sind die ideologischen Gräben schmaler geworden. Jetzt machen leere Kassen und die Konkurrenz der Privaten dem Staats-TV zu schaffen. Bertram sieht die Entwicklung als linker Sozialdemokrat mit bildungsbürgerlichem Ernst. Schon das von Adenauer geförderte ZDF ist für ihn bloß ein provinzieller Abspielsender für Spielfilmkonserven. Die Gründung des Dritten bezeichnet er als Outsourcing des Anspruchsvollen vom Ersten ins Nischenprogramm. Das sei heute auch das Dilemma bei 3sat und Arte: Intellektuellen-Fernsehen, das nur noch Intellektuelle anspricht.
Mit der von Neoliberalen quer durch die Parteien forcierten Einführung des Privat-TV hat für Bertram der mediale Gottseibeiuns Einzug gehalten. Ein nach rein ökonomischen Aspekten fabriziertes TV-Programm kann für ihn nur Müll sein. Mit der Lust des Propheten am Untergang räsoniert der TV-Pensionär dabei über fettleibige Teenies in Strapsen bei Tutti Frutti und Ekel-Events im Dschungelcamp. Dass unter diesen Bedingungen auch ein Michael Moore erfolgreich TV betreiben konnte, kommt bei Bertram nicht vor.
Dafür lässt der Autor, der jahrelang als China-Korrespondent gearbeitet hat, unzählige Anekdoten vom Stapel: Über die Angst der ARD vor der Bild-Zeitung, über Lobbyarbeit der Wirtschaftsverbände, über Product Placement im Marienhof, Guido Knopps Hitler-TV, undundund. Insgesamt ergibt das keine Medienanalyse, als unterhaltsam heruntergeschnurrtes Insiderwissen liest es sich aber ganz nett.
Frank Krings
Jürgen Bertram: Mattscheibe. Das Ende der Fernsehkultur. Fischer, Frankfurt am Main 2006, 240 S., 8,95 ISBN: 3596163935