ALTE KÄMPFER
All the president's men Der traurige Eskapismus von Stefano Benni Die Stadt stinkt. Die Polizei hat alles im Griff, und demnächst wird ein gewisser Herr Schandkräh Abgeordneter werden. Der junge Straßenkämpfer Lee sitzt längst in der Irrenanstalt - und Leo der Fröhliche wird in einem Vorgarten erschossen. Leo war einst Schüler von Professor Luzius Lurch, der zu Beginn der Geschichte Geburtstag hat: "Luzius Lurch feierte seinen siebzigsten Geburtstag, indem er erwachte. Er hielt dies für ein grundlegendes Geheimnis des Lebens: Daß man ganz genau so häufig aufwachte wie man einschläft. Wacht man auch nur ein einziges Mal weniger auf, verliert man den Anschluß." Leos Leiche liegt im entschieden falschen Stadtviertel. Er hatte da nichts verloren. Weshalb Inspektor Portius, einst der größte Trottel in Professor Lurchs Klasse, auf Anweisung "von oben" das ganze als mißglückten Einbruch abtut. Stefano Bennis melancholische Satire Komische erschrockene Krieger, erstmals erschienen 1987, lebt von der Erinnerung an die 70er. Bennis Helden, seine erschrockenen Krieger, leben zwar in den versteinerten 80ern, aber auch sie erinnern sich. Dass man nämlich nicht alles hinnehmen muß. Der alte Professor, ein 11jähriger Junge, der verrückte Lee und Leos Freundin Luzi wollen genauer wissen, was passiert ist. Allein das genügt, dass sie, jeder auf seine Art, heftig mit der Obrigkeit aneinandergeraten. Und weil Benni in den 80ern wußte, wie die 70er enden, haben auch seine Krieger kein Glück. Aber dass sie es versucht haben, macht sie zu Helden. Die Geschichte vom toten Leo ist nur ein geschickt ausgelegter Roter Faden, um durchs Bennis Fabel zu führen (seine Figuren haben mit Grund alle Tier-Namen). Da gibt es den einst rebellischen Journalisten Carlo Chamäleon, der heute für das Staats-Blatt "Demokrat" schreibt. Einmal schildert Benni, wie Chamäleon durch seine Redaktion geht - vorbei am inzwischen zehnfach vergrößerten Bereich "Mode", dahinter der Bereich "Wirtschaft" ("das Herz der Zeitung"), weiter durch die Ressorts "Reise, Tests, Unbeschwerte Beilagen, Politikerkinder in Karrierestartlöchern, Heimliche Anrufe, Bingo, Toiletten, Graphik und Seefart. Hinter sich läßt er die Bar und die Verkaufsabteilung, die Marketing-Multiplikation, das Feuilleton (aus dem Duran Duran ertönt), dann den Bereich Bissige Satiriker und Ätzende Karikaturisten, den Bereich Unbequeme Journalisten ..." - all the president's men. Benni ist ein politischer Satiriker, ein Humorist, ein Poet (zu einer alten Hure fällt ihm der schöne Satz ein, einst sei sie "eine Perle auf dem Mantel der Nacht" gewesen), einer, der gerne von Träumen erzählt, die was mit dem Leben zu tun haben: Einmal träumt der Professor von einem halben Land, in dem jedem Bewohner etwas fehlt: der halbe Kopf, das halbe Herz, die Beine, die Arme. "Es gibt keinen Pakt mehr zu schließen, mit dem Teufel nicht und nicht mit der Resignation", sagt der irre Lee. Da konnte Benni noch gar nicht wissen, was in den 90ern alles über die 80er bekannt werden würde. Die Italiener mit ihre Aktion "Saubere Hände" haben das hinter sich, geändert hat sich nichts, statt Bettino Craxi ist jetzt Silvio Berlusconi der Strippenzieher. Hier in Deutschland stehen wir in dieser Hinsicht noch am Anfang der Entwicklung. Da ist es gut, dass Wagenbach Bennis "Krieger" noch einmal aufgelegt hat. Victor Lachner
|
Stefano Benni: Komische erschrockene Krieger Aus dem Italienischen von Pieke Biermann. Wagenbach, Berlin 2000, 226 S., 19,80 DM |