Geschichte

Harry's Law

Die Autobiographie des singenden Aktivisten Harry Belafonte Er sei kein Künstler, der durch die Umstände zum Aktivisten wurde, schreibt Harry Belafonte in seiner Autobiografie My Song, er sei ein Aktivist, der zufällig Künstler wurde. Tatsächlich handelt das Buch über einen der erfolgreichsten schwarzen Stars der Musikszene fast ausschließlich von Politik. Belafonte mischte sich früh ein, durchaus unter Einsatz seiner Vermögens, seiner Karriere und manchmal auch seines Lebens. Er reiste zur Spendenübergabe in den Süden der USA, als dort Schwarze und Bürgerrechtler von Klan-Männern und der Polizei gejagt, gefoltert und ermordet wurden. Er legte sich mit dem FBI an und den Kennedys, er war ein Freund von Martin Luther King und Marlon Brando.

Belafonte gründete seine eigene Filmproduktionsfirma als er es leid war, in Hollywood-Filmen immer nur den netten Sidekick spielen zu dürfen, der war - Höhepunkt des Liberalismus jener Tage! - sich in eine weiße Frau verlieben, sie aber keinesfalls berühren durfte. Als er mit eine Musikshow fürs TV produzierte, in der sich weiße und schwarze Tänzer berührten, rebellierten TV-Sender in den Südstaaten und wollten die Show absetzen.

All das ist faszinierend erzählt, gewürzt mit netten Show-Anekdoten (als Bob Dylan mal in mein Studio kam und seine erste Plattenaufnahme machte) und ein gutes Stück Zeitgeschichte.

Sein starkes Empfinden für Gerechtigkeit habe er übrigens von seiner Mutter gelernt, einer Einwanderin, die sich mit üblen Jobs in den USA durchschlug, die ihrem Sohn aber beibrachte: Wenn dir jemand krumm kommt, hau ihm auf die Nase, auch wenn du dabei den blütenweißen Zustand deines neuen Hemdes riskierst.

Belafonte, vor kurzem 85 geworden, hat in seinem Leben immer wieder mehr riskiert als nur sein Hemd.

In der Öffentlichkeit singt er schon lange nicht mehr, nur noch auf privaten Feiern, sagt er. Aber als er kürzlich in der Comedy Show The Colbert Report auftrat, konnte ihn Stephen Colbert zu einem kleinen Duett überreden. Belafontes Stimme klingt immer noch beeindruckend. Auch sein Zorn, das war dem Auftritt bei Colbert zu entnehmen, ist ungebrochen.

Da Belafonte in seinem Buch übrigens das hierzulande inkriminierte Wort "Neger" häufig benutzt, scheint er unter "Rassismus" allerdings etwas anderes versteht als die linken Bibelforscher hierzulande.

Thomas Friedrich
Harry Belafonte mit Michael Shnayerson: My Song. Die Autobiografie. Kiepenheuer & Witsch, Köln 2012, 623 S., mit sw.-Abb., 24,99