PHANTASTIK
Genre-Bastarde, Kultur-Kreolinen
Drei Autoren bleiben bei ihren Leisten - und bringen alles durcheinander
Mit der manchmal nötigen Kürze könnte man sagen, Amerika hat nur zwei eigene Sorten Literatur hervorgebracht: die Science Fiction und die mit den zynischen Schnüfflern. Und einen ganzen Hinterhof voller illegitimer Kreuzungen aus beiden.
Aber erst bei Jonathan Lethem liest sich der MixUp mehr als albern: Knarre mit Begleitmusik präsentiert einen Chandler-Typen im nächsten Jahrtausend, zwischen genetisch aufgemotzten AuPair-Schafen und Killer-Känguruhs, mit einer verpatzten Geschlechtsumwandlung im Blut und jeder Droge, die man auf Pump kriegen kann. Natürlich scherzen Held und Autor dabei etwas übermäßig mit Genre-Mustern und der Kolportage-Dekoration herum ... bis wieder eine ernsthaft zerstückelte Leiche auftaucht - und der Marlowe-Klon per Cryogenik vorübergehend aus der Handlung gerissen wird. Da kippt Lethems Freak-Show plötzlich übers Groteske fast in die Verzweiflung; und der aus Prinzip entwurzelte Detektiv scheint für den lebenzeit-verschiebenden Tiefkühltank gerade erst erfunden worden zu sein.
Terry Pratchett schreibt neben seiner inzwischen viel zu langen Quasi-Fantasy-Scheibenwelt-Serie auch eine Reihe Jugendbücher um Johnny Maxwell im heutigen England. Da rettet er mal das ganze Universum mithilfe der Aliens aus einem Computerspiel, oder besucht seine Ahnen auf dem Kleinstadtfriedhof. In Nur du hast den Schlüssel findet Johnnys Clique nun heraus, daß der Einkaufswagen der Stadtstreicherin tütenweise Zeit enthält - und hip und hop rettet die Bande ein Stück der eigenen Geschichte vor einen deutschen Luftangriff. Und einen Freund davor, deswegen gar nicht erst geboren zu werden. Mehr nicht. Ein Seitenwerk von genau der richtigen Länge. Und dem Zauber kalter Fish'n'Chips - in Großvaters Aktentasche.
Tom Holt ist auch Engländer, und kann das überlange Mythen-Quirlen, immerhin immer nur in Einzelromanen, nicht lassen. Diesmal kommt Drachentöter Georg zurück und fordert Revanche. Der Sagen-Kampf war nämlich Schiebung, und der liebe Gott hatte den falschen Buchmacher. Alle Teufel der Hölle, die gerade Betriebsausflug haben, helfen aus Versehen beim Replay mit, eine Art Zeit-Schwarzbrenner wird erpreßt, ein himmlischer Hitman zieht mit dem plötzlich lebendigen Michelangelo-David eine Art Clou durch ... und etwa ab Seite 200 brummt auch dem Vergnügungswilligsten der Schädel. Immer Ärger mit George enthält etwas mehr Verwicklungen, etwas weniger Witze und höchstens genausoviel Weisheit wie die meisten von Holts Büchern. Wer sie schon kennt, braucht dieses nicht - wer nicht, sollte mit einem anderen anfangen.
WING
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