FREMDELN
Miniröcke im Kaukasus Ingo Petz deutschtümelt in Aserbaidschan Wer alle Sinne beisammen hat, der bekommt irgendwann den Deutschland-Koller. Auch Ingo Petz fühlt sich von Dieter Bohlen, Hartz IV und schlechtem Wetter derart angeödet, dass der selbsterklärte Rebell gegen die "german gemütlichkeit" nach Aserbeidschan ausbüxt. Nach einer bürokratischen Prozedur, die bei Ostdeutschen dunkle DDR-Erinnerungen erwecken dürften, erhält er ein Visum. Angekommen in der Ex-Sowjetrepublik zwischen dem südrussischen Kaukasus und dem Iran erwartet Petz Vertrautes: Sein Taxifahrer jammert über sein Land und "die da oben." In der nach Öl und Salzwasser riechenden Hauptstadt Baku fühlt sich Petz dann doch erstmal etwas in der Fremde. Denn hier stören weder Hunde, Jogger noch Radfahrer das melancholisch ergraute Stadtbild. Dafür stolzieren auf dem Fontänenplatz Aserbaidschanerinnen in Miniröcken, durchsichtigen Blusen und Pumps umher "... als seien sie auf einer Demonstration gegen die westliche Frauenbewegung". Überhaupt scheint der deutschlandmüde Petz sich in den fremden Eindrücken vor allem selbst widerspiegeln zu wollen. In der deutschen Emigranten-Pinte Paulīs trinkt er mit gestrandeten Geschäftsleuten Warsteiner und schaut die Tagesschau. Er lernt Igor Stein - als letzter Kaukasusdeutscher eine Art lebendes Fossil - kennen sowie den zwielichtigen Kaviar-Mann Holger. Über die Landschaft, Geschichte oder Politik erfährt der Leser recht wenig. Denn wie schon im Titel angedeutet, sucht Petz nach den Kuckucksuhren und nicht nach dem Fremden in Baku. Dabei hält der Slawistik-Absolvent und Süddeutsche-Autor zu sich selbst ebenso ironische Distanz wie zu seinen Eindrücken. So liegt dem Leser eine unverhohlen subjektive Anekdötchen-Sammlung vor aserbaidschanischem Hintergrund vor. Unterhaltsam aber unbefriedigend. Frank Krings
Ingo Petz: Kuckucksuhren in Baku. Reise in ein Land, das es wirklich gibt. Droemer, München 2006, 264 S., 16,90 ISBN: 342627390X |