ZWERGE

Ego trifft Ego

Marion Poschmanns »Baden bei Gewitter«

Wer Gartenzwerge mag, wird Peter lieben. An besonderen Stellen seiner Wohnung hat er die hässlichen Gesellen deponiert, in der Hoffnung, dadurch würde es heimeliger. Niemand klärt Peter darüber auf, dass er sich irrt. Soziale Kontakte hat er ohnehin nicht. Peter ist so verschroben, wie ein Mensch nur sein kann. Er hört schlecht und nimmt darum nur das wahr, was er wahrnehmen möchte, und das ist immer er selbst. Er redet viel, wenn jemand ihm zuhört, und auch, wenn niemand zuhört, und was er redet, ist ausschließlich belang- und nutzlos. Geradezu zwanghaft reflektiert er jedes Detail seines beschränkten Daseins, so als könnte ein Kaffeefleck auf dem Fußboden, ein billiger Werbekalender an der Küchenwand oder eine Sammlung von Streichholzschachteln die Welt aus den Angeln heben. Liebenswert ist auf den ersten Blick nichts am Peter. Und trotzdem übt der schräge Knabe eine merkwürdige Wirkung auf die junge Ich-Erzählerin aus, die den Hypochonder im Krankenhaus kennen lernt und später regelmäßig in seiner gartenzwergverseuchten Wohnung besucht.
Ziemlich selbstquälerisch muten diese Besuche an, denn Peter geht auf sein Gegenüber nicht ein. Die Autorin bedient sich, wenn es um Peters Tiraden geht, eines gelungenen Tricks: Sie lässt die junge Frau in indirekter Rede haarklein berichten, womit Peter sie zutextet. Durch die nicht wertende Art der Erzählerin kommt das haarsträubend Abstruse von Peters Aussagen erst richtig rüber, die Erzählweise wirkt ironisch, obwohl sie ganz sachlich ist.
Auch wenn die beiden in ihrer Detailversessenheit innerlich verwandt scheinen, kommen sie sich auf 300 Seiten nicht wirklich nah. Zu groß ist die Phobie vor anderen Menschen auf beiden Seiten. Ein Fußbad ist das höchste der Gefühle, denn weil Peter ungern und selten badet, lässt er sich von der Frau die Füße schrubben. Erotisch? Sie jedenfalls findet das.
Baden bei Gewitter ist das erste Buch der 33jährigen Marion Poschmann. Die Kapitel, in denen Peter und das Mädchen sich begegnen, wechseln sich ab mit solchen, in denen sie allein unterwegs ist, im Park, im Supermarkt, im Museum. Immer beobachtet sie die Welt um sich herum, nimmt ihre Vielfältigkeit war und reflektiert alles auf ein Art, die ahnen lässt, was sie an Peter findet.
Wer hier eine Liebesgeschichte erwartet, wird enttäuscht werden. Aber wer originelle Formulierungen und eine ungewöhnliche Sicht auf die kleinen Dinge des Lebens sucht, der sollte ruhig mal bei Gewitter baden. Die Füße reichen.
Julika Pohle
Marion Poschman: Baden bei Gewitter. Frankfurter Verlagsanstalt, Frankfurt 2002. 303 S., 19,90 EU