Frauen

Auf den Knien

Saphia Azzeddines Abrechnung mit Allah erscheint endlich auf Deutsch

Inzwischen sind die Zorngebete schon ein Theaterstück und die Autorin Saphia Azhzeddine ist ein Star. Das 2008 erschienene Buch ist der lange Monolog Jbaras, einer im Maghreb geborenen Ziegenhirtin, die am Arsch der Welt mit einer demütig dummen Mutter und einem dummdreisten Vater geschlagen ist, der sich seine Weisheiten ("Frauen gehören in die Küche") vom örtlichen Hilfgeistlichen reichen lässt. Jbara pflegt eine direkte Sprache mit Allah, ihrem einzigen Ansprechpartner in dieser vertrocknenden Welt, in der nur ab und zu mal ein Bus vorbeifährt. Eines Tages sieht Jbara ihre Bitten um Rettung erfüllt: Ein Koffer fällt vom Dach des Busses.

Dieser Koffer, gefüllt mit allerlei modischem Schnickschnack, und Jbaras unerwartete Schwangerschaft (sie verdient sich als Ortshure ein bisschen was dazu) werden Jbara in die große Stadt führen, wo sie von der Putzhilfe zum Dienstmädchen aufsteigt, es schließlich bis zur parfümierten Edelnutte bringt, um als dritte Frau eines halbwegs netten Imams zu enden. Jbara weiß, dass sie Opfer ist und sich nur bedingt wehren kann. Aber sie setze ein, was sie hat, um dem Elend ihrer Männer-Gesellschaft zu entfliehen. Im Gespräch mit Allah und dem Leser wird dabei kein Blatt vor den Mund genommen. Als sie noch Dienstbotin ist, räsoniert sie: "Wenn Sie reich sind und éHausangestellte' haben oder Dienstboten, sollten Sie wissen, dass Sie uns früher oder später gekostet haben. Sie haben unseren Speichel gefressen, unsere Popel, unseren grünen Auswurf, unsere Kacke, unsere Pisse, unser Sperma. Zumindest einmal. Ganz sicher. Egal ob Sie uns gut behandeln, ob Sie aufmerksam sind oder ob Sie sich uns gegenüber wie echte Schweine verhalten, Sie haben uns gekostet. Sie haben ein wenig von uns in sich ... Denn Sie sind reich und wir sind die Elenden. So ist das." Später lästert sie über die Pflicht der Frauen, sich zu verschleiern, nur weil die Männer ihre Lust nicht in den Griff bekommen. Zorngebete ist in seiner präzisen Wut und seinem trockenen Witz eine gut formulierte Bestandaufnahme, in der, lange vor dem "arabischen Frühling", die Rolle der Frau in der arabischen Welt attackiert wird. Die reichen Scheichs aus den Öl-Ländern, schreibt Jbara, hängen sich gerne Bilder von halbnackten Damen im teuren Fummel an die Wand. Ehrlicher wäre das Bild einer armen Frau auf den Knien, einen Schwanz im Mund und ein bisschen Geld in der Hand.

Victor Lachner

Saphia Azzeddine: Zorngebete. Aus dem Französischen von Sabine Heymann. Wagenbach, Berlin 2013, 121 S., 16,90