SCIENCE FICTION

Unendliche Geschichten

Alastair Reynolds ist wieder da

Es schadet nichts, die ersten drei Bände aus Reynolds' "Glitzerband"-Universum gelesen zu haben, es geht aber auch ohne. Denn der zur Epik neigende walisische Autor pflegt sowieso eine elliptische Erzählweise, bei der man sich immer wieder fragt: Hab ich jetzt was aus den vorangegangenen Bänden vergessen oder wurde das schlicht noch nicht erwähnt? Der "Uhrmacher" zum Beispiel kam schon vor, andererseits wird Existenz und Geschichte des synthetischen Wesens (oder der "Alpha-Kopie", wie es im Reynolds-Speak heißt) im notwendigen Umfang erklärt, so dass man auch so versteht, wie riskant das ist, wenn Präfekt Dreyfuss am Ende dem bombenbauenden "Uhrmacher" gegenübertritt. Auch die titelgebende Aurora kam schon vor, als es nämlich um das Experiment der "80" ging, der 80 Bürger, die von Dan Sylveste gescannt und... man kommt ins plappern, wenn man Ideen und Handlungsfäden nacherzählen will, die in Reynolds' Universum längst mehr als 3000 spannend zu lesende Seiten füllen.

Es geht um eine Machtübernahme, über "Synthetiker", die quanteninduzierte Zukunftsversionen träumen, um "Ultras", die aus Versehen ein Habitat angreifen und dabei 900 Menschen umbringen (es werden noch viel mehr sterben), und es geht um eine Zukunftspolizei, die sich per Abstimmung im Einzelfall von den Bürgern die Erlaubnis einholen muss, Waffen tragen zu dürfen.

Es geht nicht um: Liebe, Sex, Pathos oder Überlichtgeschwindigkeit. Bei Reynolds werden Raumschiffe noch aufgetankt, bevor sie den Raumhafen verlassen.

Die Mischung aus traditioneller Hardcore-SF und neuen Gimmicks hat Reynolds von Anfang an beherrscht, in seinen ersten Bänden besser als heute. Aber wo bekommt man noch dicke Weltraumschmöker geboten, in denen ganze Armeen aufmarschieren, ohne dass wir das martialische Geknarze gewaltverliebter Autoren ertragen müssten?! Mit dem New Militarism der SF hat Reynolds nichts zu tun.

Alex Coutts
Alastair Reynolds: Aurora Aus dem Englischen von Irene Holicki. Heyne, München 2008, 733 S., 16,-