Arabien

Liebe von gestern

Abbas Khider geht einem Brief nach

Weil der Iraker Salim überhastet nach Libyen fliehen musste, beschließt er im Oktober 1999, einen Brief an seine Geliebte zu verfassen, die er immer noch in Bagdad, in "Saddam City" vermutet. Legal kann er ihr nicht schreiben, da er sicher ist, dass ihre Post vom Geheimdient überwacht wird. Also verfasst er einen Brief, der auf einer eingespielten Route der Illegalen von Libyen über Jordanien in den Irak gebracht werden wird.

Abbas Khiders Roman Brief in die Auberginenrepublik folgt der Bewegung dieses Dokuments. Jedes Kapitel wird von einem der Helfer auf dieser illegalen Postroute erzählt: Ein Reisevermittler, ein Taxifahrer, ein Polizist sind die Erzähler dieser bitterbös traurigen Satire, in der wir Einblicke in die arabische Politik und Kultur vor dem sogenannten arabischen Frühling erhalten, in eine Zeit also, in der Gaddafi und Mubarak uneingeschränkte Herrscher ihres Volkes waren. Was Khider, der einst aus dem Irak nach Deutschland floh (und auf Deutsch schreibt), an Anekdoten zusammengetragen hat, liest sich bisweilen derart wahnsinnig, dass man nicht sicher ist, ob er sich das ausgedacht hat - oder ob Muammar al-Gaddafi nicht doch eines Tages alle Plakate in Bengasi entfernen ließ, auf denen das Wort "arabisch" vorkam. Wie schon in seinem Roman Die Orangen des Präsidenten findet Khider in seiner bildreichen Sprache eine makabre Balance zwischen Brutalität und Verschmitztheit. Der islamische Gefangene etwa, der davon erzählt, wie er seine Folterer abschreckte, indem er sich regelmäßig bei Verhören komplett einkotete und nur noch "das religiöse Stinktier" genannt, dafür aber in Ruhe gelassen wurde, hat was von einem Schweijk in der Hardcore Version.

Dass Salims Brief beim Geheimdienst landet, präsentiert uns Khider nicht als Überraschung. Der anrührende, vollkommen unpolitische Liebesbrief (den wir erst am Ende zu lesen bekommen) wird dennoch eine kleine Schockwelle auslösen. Alles ist ganz anders als zu Beginn des Buches. Allein um diesem Erzählbogen zu folgen, lohnt die Lektüre dieses ungemein witzigen und klugen Buches.

Thomas Friedrich

Abbas Khider: Brief in die Auberginenrepublik. Nautilus, Hamburg 2013, 155 S., 18,-