KULTURGESCHICHTE

Viel Meer

Simon Winchester schreibt die Biografie des Atlantiks

Nanu, kann ein Meer eine Lebensgeschichte haben? Und würde deren Erzählung nicht eher zur objektiven Naturwissenschaft gehören? Glücklicherweise nicht. Simon Winchester hat sein Buch zwar im ganz großen Maßstab angelegt, vom ersten Tropfen Flüssigkeit auf dem Planeten bis zum Verschlabbern der letzten Flut dermaleinst, aber dazwischen geht es immer um den Menschen und sein Meer. Und das ist für Europäer und Amerikaner eben seit Äonen der Atlantik. Schön britisch mit der eigenen Lebensgeschichte verwoben, führt uns Winchester auf überraschenden Routen durch bekannte Themenkomplexe (das Piratenzeitalter, die Sklaverei), streift sonst eher selten in populären Büchern verhandelte (Seekriegsführung) und kommt bei aller wettergegerbten Romantik dann doch auch zum modernen Wirtschaftraum und dessen drohender Erschöpfung.

Winchester weiß zu allem etwas und sagt nicht immer das Erwartete. So schlägt etwa der Naturfreund, der auch schon auf Walrettungsexpeditionen mitfuhr, nur erstaunlich vorsichtig in die Klimarettungskerbe. Einfach keine Fische mehr fangen, kein Öl bohren und den Ozean in Ruhe lassen ist ihm offenbar zu pusselig weltenretterisch im Angesicht der Größe des Mittelmeeres der Moderne.

Wing

Simon Winchester: Der Atlantik. Biografie eines Ozeans. Übersetzt von Michael Müller. Knaus, München 2012, 528 S., 29,99