SPINNENGÖTTER

Viel Märchen

Die »Anansi Boys« verzaubern die Welt

Neil Gaiman hat für seine Comic-Geschichten um den Sandman in Amerika Literaturpreise gewonnen, er hat die Biografie seines englischen Freundes Douglas Adams geschrieben (die heißt, kein Wunder, Keine Panik!), er schrieb zusammen mit Terry Pratchett Ein gutes Omen, und inzwischen hat er sich auch mit seinen eigenen Romanen allerlei Renommee auf dem Felde komischer Märchen erworben. Sein jüngstes Buch, Anansi Boys, ist die Fortsetzung seines Romans American Gods, aber man kann es getrost auch als Gaiman-Anfänger lesen.
Es fängt ganz gemächlich an mit einem Londoner Mittelklasse-Loser ohne Familienbande, der sich von seinem Chef schikanieren und von seiner Verlobten zum Sex-Verzicht vor der Ehe überreden lässt. Dann stirbt sein Vater, den er schon seit Jahren nicht mehr gesehen hat. Dann taucht ein Bruder auf, von dem er gar nichts wusste, und dann geht alles durcheinander.
Sein Vater war scheinbar der Spinnengott, der Herr aller Geschichten der afrikanischen Folklore. Sein Bruder scharwenzelt mit Magie-Einsatz um seine Verlobte herum. Sein Chef unterschlägt Firmenvermögen und hängt die Untat dem zunehmend verwirrten Helden an. Und vier alte Damen im Amerika veranstalten eine Seance, nach der alles noch mehr durcheinander gerät.
Im charmanten Plauderton verbindet Gaiman Elemente aus Horror, Thriller, Geister-Romanze und Familien-Sitcom mit beinahe kosmischer Fantasy. Es gibt witzige und es gibt garstige Szenen, mit einer herausgerissenen Zunge zum Beispiel, weil die uralten Tiergötter nun mal nicht zimperlich sind. Es gibt kitschige Motiv-Tricks wie in Kino-Drehbüchern (wer als Kind von Meerjungfrauen träumte, wird sicher später einer begegnen), und es gibt sehr ernste Überlegungen dazu, dass es nicht darauf ankommt, mit aller Macht zu tun, was man will, sondern ein eher scherzhaftes Verhältnis zur Welt einzunehmen. Man stirbt dann auch, aber man hatte mehr Spaß.
WING
Neil Gaiman: Anansi Boys. Aus dem Englischen von Karsten Singelmann. Heyne, München 2007, 448 S., 12,00