LIEBE
Dieser Kram
A.L. Kennedys Roman »Also bin ich froh«
Dass die schottische Autorin A.L. Kennedy keinen leichten Umgang darstellt, merkt man schon an der Widmung ihres Romans Also bin ich froh. Da steht: "Für meine Familie und meine Freunde, die mich selten im Stich lassen" - das ist nicht so richtig nett.
Die Hauptfigur in Also bin ich froh legt sogar wert darauf, nicht nett zu sein. Es handelt sich um eine gefühlskalte junge Frau, die in jungen Jahren sich von ihren triebhaften Eltern genervt fühlte (Mama und Papa rammelten überall und jederzeit und waren viel zu sehr miteinander beschäftigt, um ihre Kinder richtig wahrzunehmen) und auch heute den Sex eher über sich ergehen läßt als dass sie ihn genießt. Es sei denn, so holt ihren inneren "Käpt'n Bligh" hervor, den Kapitän der legendären "Bounty", dann fährt sie mit ihrem Geliebten Schlitten, dass es sich gewaschen hat. Einmal steigert sie sich so sehr in ihre sadistische Phantasie, dass ihr Freund sich anschließend eine Woche krank schreiben lassen muß.
Eines Tages steht ein Herr im Haus und leuchtet. Nicht bildlich, sondern wirklich. Es dauert eine Weile, bis die Erzählerin herausfindet, dass es sich bei dem Fremden um den Dichter, Degenhelden, Abenteurer und Liebhaber Cyrano de Bergerac handelt. Wie er, 300 Jahre nach seinem Tod, ins schottische Vorland kommt, warum er leuchtet - und warum, natürlich, die Heldin sich in ihn verliebt, interessiert das Buch nicht weiter. Es "behauptet" eher die Liebe und beschreibt ihre Auswirkungen, als dass es sie begründet; wie auch?
Also bin ich froh ist ein höchst raffiniertes Buch. Es spielt unablässig mit den Strukturen des Romans, ohne dabei den Boden der eigenen Geschichte zu verlassen. Es ist tottraurig, sehr böse und sehr komisch, eine Liebeserklärung ins Leere. Hier ist nicht die Frage, ob die Geschichte traurig endet, sondern warum das so lange dauert. So wie die Autorin sich als gefühlsgestört präsentiert, verweigert das Buch sich den großen Gefühlen. Wenn A.L. Kennedy über Sex schreibt, steht da: "Möse + Schwanz + Arsch + Daumen + Mund + Zehen + Hände + Knie + Hoppsalaverdammt = ... Sie wissen schon. Dieser Kram." Das ist so komisch wie traurig. Und diesen Tonfall durchzuhalten, nicht ins Alberne und nichts ins Tragische abzugleiten, das ist die große Leistung der Autorin. Wie so oft allerdings bei "raffinierten" Romanen, hat man sich über 200 Seiten lang gut amüsiert. Aber man weiß am Ende nicht so richtig, was man da eigentlich erlebt hat.
Thomas Friedrich
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