GESCHICHTE
Europas Opa
Oliver Stones Waffenmeister schreibt über »Alexander der Große -Eroberer der Welt«
Einerseits: Nicht nur in Deutschland pflegten Professoren faule Studenten generationenlang so anzutreiben: "In euerm Alter hatte Alexander schon ein Weltreich erobert". Die klügsten Gescholtenen konterten dann: "Und in ihrem Alter war er schon tot". Dass beide Cäsar zitierten, wussten die wenigsten.
Andererseits: heutige offizielle Griechen drohen Hollywood Prügel an, weil Alexander im Kino ein schwules Krösken mit seinem Kavallerie-General hat; und weltweit legt der Engländer Robin Lane Fox seine 30 Jahre alte monumentale Alexander-Biografie jetzt noch einmal, weise überarbeitet, vor, in der der strahlende Held gar schon auf Kindesbeinen in den Verdacht des Vatermords gerät.
Und drittens: 1992 schrieb der Deutsche Gisbert Haefs einen 1000seitigen Alexender-Roman, aus dem Oliver Stone sofort einen Film machen wollte ... um nach langem Kampf dann doch Robin Lane Fox als Waffenberater und Produktions-Historiker für's eigene Buch zu verpflichten. Die Drehbuchentwürfe des Deutschen sind verschollen. Die Frontlinien in der Auseinandersetzung um den "richtigen" Alexander bleiben verworren.
Ist er der Inbegriff des Größenwahns (immerhin berief sich auch Hitler auf ihn), der letzte Held des Westens (Alexander sah "Troja" damals, 1000 Jahre nach dem Fall, sozusagen im Kino und wollte Achilles in echt sein), der Erfinder des "Bushismus" (der US-Angriff auf Fallduschah wurde in Militär-Akademien längst als Alexander-Strategie gelehrt) ... hat er den Orient für den Westen geöffnet (afghanische Berg-Fürsten führen ihren Stammbaum heute noch auf Alexander zurück) oder hat er aus dem entfernten Nebeneinander von Ost und West erst die Nachbarschafts-Spaltung bis heute gemacht? Ist das multikulturelle Europa durch Alexander erst möglich geworden, oder hat sich "die Zivilisation" durch ihren frühen Out-of-Area-Einsatz für immer unmöglich gemacht?
Robin Lane Fox läßt fast alle Deutungen zu. Und er begründet gar nicht erst, warum man sich, ausser im Kino oder unter Fachleuten, heute für Alexander interessieren soll. Er mag die schillernde Gestalt einfach, und er erzählt, grundiert mit der eigenen Erfahrung langer Reisen in Makedonien, Persien und Indien, wie es damals wahrscheinlich war. Und er argumentiert ordentlich, was man warum glauben kann und was nicht so sehr. Etwa ob sich Alex am Gipfel des Ruhms schlicht mit einem Dreiliter-Eimer Wein zu Tode soff? Es war wohl eher eine Vergiftungs-Verschwörung. Gesichert ist nichts, plausibel das meiste.
Alexander wurde König von Makedonien mit 20, zog nach Babylon und Indien, eroberte 90% der bekannten Welt und starb mit 32. Vermutlich. Mehr ist nicht zu beweisen. Aber Robin Lane Fox durfte, inzwischen akademisch ergraut, in Oliver Stones Alexander den dritten Reiter von links geben.
WING
Robin Lane Fox: Alexander der Große - Eroberer der Welt. Aus dem Englischen von Gerhard Beckmann. 50 Abb. und Karten. Klett-Cotta, Stuttgart 2004, 807 S., 29,00. ISBN: 3608940782