TAGEBÜCHER

Görenpost

Brendan Halpin rührt Alleinerzieher und -erzogene

Das Buch beginnt mit dem "Trauertagebuch" von Rosalind. Rosalind ist eine 14jährige mit großem Kummer und einer scharfen Zunge. Sie soll ein Trauertagebuch führen, um darüber hinweg zu kommen, dass ihre beiden Mütter vom einem Laster mit Tiefkühltruthähnen totgefahren wurden.
Rosalind ist cool genug, es nicht unnormal zu finden, als Tochter eines lesbischen Paars aufgewachsen zu sein. Sie ist traurig genug, um Truthähne auch an Thanksgiving nicht mehr sehen zu wollen. Und sie ist clever genug, sich selbst bei ihrer Trauerverarbeitung zuzugucken und sich in hinreißenden Formulierungen dem Selbstmitleid hinzugeben und sich gleichzeitig darüber lustig zu machen.
Dann kommt Sean dran, per email. Sean ist 35, Rechtsanwalt und hat vor langer Zeit mal etwas Samen gespendet. Jetzt übernimmt er Sorgerechte und -pflichten für Rosalind, die anfangs nicht mal mit ihm reden will.
Emails zwischen Vater, Tochter, Freundinnen und Bekannten, einmal gar das Protokoll einer Verhandlung und immer wieder Tagebucheinträge bringen uns durch das Buch und begleiten die allmähliche Annäherung von Spendervater und Wahltochter. Jede Alltags-Beobachtung erscheint so mehrfach gebrochen, eher strategisch als grundehrlich formuliert und mit so englischen Witz verschärft, dass man glatt vergessen könnte, in Amerika zu sein.
Am Ende ist alles klar: die Tränen-Szene und Versöhnung findet in einem Museum für TV-Serien statt und wir sehen eine Sitcom-Episode, in der Rosalinds Mutter eine Tochter spielt, die vor einer Lebensentscheidung steht. Nur Amerikaner müssen nicht erklären, wieso in Unterhaltung tiefer Sinn stecken kann, warum man nicht sentimental werden muss, um weinen zu können.
WING
Brendan Halpin: All about Dad. Aus dem Amerikanischen von Karl-Heinz Ebnet. Lübbe, Bergisch Gladbach 2006, 267 S., 16,95 ISBN: 3785722559