FAMILIEN

Das Übliche

Freud & Leid in »Abnehmender Mond«

In seinem episch angelegtem Debutroman erzählt Joseph Coulson über zwei Generationen hinweg die Geschichte der Familie Tollman. Der Bogen spannt sich von den Anfängen der Weltwirtschaftskrise bis hin zum Vietnamkrieg. Im Mittelpunkt stehen Stephen und Philip, Sprößlinge der amerikanischen Arbeiterklasse. Als Kinder müssen sie erleben, wie ihre Eltern im Zuge der großen Depression Hab und Gut verlieren und die Mutter erblindet, weil das Geld für eine Operation fehlt. Kurz vor Beginn des Zweiten Weltkrieges verlieben sich die mittlerweile erwachsenen Brüder beide in die Jazzpianistin und Kommunisten Katherine Lennox, die eine geradezu unheimliche Anziehungskraft auf Männer ausübt. Eine Dreiecksbeziehung beginnt, an deren Ende Philip in den Krieg zieht, aus dem er als gefühlskalter Alkoholiker zurückkehren wird.
Abnehmender Mond ist ein solider, kein mitreissender Familienroman. Coulson erzählt die Geschichte der Tollmans in vier Teilen und aus drei verschiedenen Blickwinkeln. Zu Anfang und am Ende kommt Stephen zu Wort, die anderen Teile bestreiten Katherine und James, Philips Sohn. Was auf den ersten Blick nicht unorginell ist, krankt daran, dass Sprache und Perspektiven der Erzähler zu nah beeinander liegen und letztlich belanglos werden. Die Protagonisten wie die Geschichte wirken stellenweise wie auf dem Reißbrett entworfen: Der melancholische, finster-entschlossene Philip oder der pragmatische, beobachtende Stephen, der seinen Bruder auch im Zerwürfnis noch bewundert. Nicht zuletzt Katherine, deren männermordende Qualitäten bis an die Grenzen des Klischees gehen.
Die Generationenkonflikte hat man so ähnlich auch schon anderswo gelesen oder gesehen. (Sohn liebt Rock 'n'Roll - Vater hasst Rock 'n' Roll - Mutter versucht zu schlichten). Zudem werden die Emotionen der Figuren zu oft behauptet, nicht tatsächlich gezeigt. Das führt dazu, dass die Geschichte stellenweise etwas blutleer daherkommt. Letzten Endes: ein Familien- und Adoleszenzroman, den man liest und wieder vergisst.
sk
Joseph Coulson: Abnehmender Mond. Aus dem Englischen von Ingo Herzke. C. H. Beck, München 2005, 416 S., 22,90 ISBN: 3406529771